interview: #1 – subkultura konzerte – Pforzheim, Bottich (r.i.p)

Vorklapp:
Nach und nach werde ich – bis Weihnachten – mal alle Printinterviews, auch längst verblichener Bands, hier online stellen. Ich pimp die noch ein wenig, Musik, Links, Fotos. IMMER DONNERSTAGS – zur Tea-Time.Auch die bereits veröffentlichten bekommen einen neuen Termin und werden angepasst.
Alle Ausgaben sind Out of Print und werden nicht wieder aufgelegt.
Ausgabe 13 eventuell in 2026!

Interview:
Nico – Subkultura Konzerte – geführt im Februar/März 2014

Letztes Jahr erst (27.04.2013) habe ich mit meiner Band pADDELNoHNEkANU und den umtriebigen FEINE SAHNE FISCHFILET im BOTTICH zu Pforzheim spielen dürfen. Wir hatten echt Spaß an dem Abend, gutes Publikum, eine Kegelbahn und einen riesigen Backstageraum. Genug Essen und Bier war natürlich auch da. Doch ein wenig seltsam war die Stimmung schon. Im Gegensatz zu unserem gemeinsamen Konzert im Februar in der Halle14 in Karlsruhe, war es hier nicht ausverkauft.

Es gab im Vorfeld eine Absage von einer Stuttgarter Band, die nicht in einem Grauzonenladen spielen wollten. Mein erster Gedanke war: „Ein Laden, in dem FSF spielen kann nicht Grau sein.“ Aber ich darf auch gestehen, daß ich über die Umstände sehr wenig mitbekommen hatte.

Kurz nach diesem Konzert gab Nico bekannt, keine Konzerte mehr im Bottich veranstalten zu wollen. Ich versuche nun also nach einem dreiviertel Jahr hier also dieser Frage nach zu gehen und etwas Licht in mein Dunkel zu bringen.

Nico, mit dem ich mich gleich unterhalten werde, zeichnete sich damals noch verantwortlich für die Konzerte dort. Ein sehr illustres Programm stellte er immer wieder zusammen. Von PeterPanSpeedrock über Swinging Utters bis Sondaschule war musikalisch einiges geboten und international in der Provinz.

PP:
Moin Nico! Geht’s dir gut? Was machst du gerade?

Nico:
Ich sitze in meiner Wohnung am Esstisch und genieße bei einer Tasse Kaffee die Frühjahrssonne, welche direkt in meine Wohnung scheint. Ansonsten geht es mir inzwischen wieder ganz gut und bin auf dem Weg der Besserung. Hierzu aber sicher später mehr. Jetzt aber auch zur beruflichen Frage 🙂

Ich habe ja als Konzertveranstalter Ende 2013 meine Karriere beendet und bin nun dabei, eine kleine Booking Agentur aufzubauen.

PP:
Was für Bands, bzw. musikalische Stilrichtungen hast du denn im Programm?

Nico:
Bands habe ich sowohl schon bekanntere als auch unbekannte Bands im Programm. So sind unter anderem The Porters (D), Sex Pistols Experience (UK), The Hellfreaks (HUN), The Bone Idles (D) und The Moorings (F) unter den bekannteren Bands und zum Aufbau gehören im Moment unter anderem Burning Lady (F), The Sensitives (SWE), PennyCocks (CAT), Secret Army (CAT), The Booze Brothers (D), KopfEcho (D) und Royal Tea Club (D).

Musikalisch wird alles zwischen Punk, Hardcore, Folkpunk, Rockabilly und Indie geboten.

PP:
Du warst letztes Jahr noch Konzertveranstalter. Wieso hast du aufgehört?

Nico:
Undankbarer Job, der einem neben der Kohle ziemlich die Gesundheit gefressen hat. Ich habe mehrere 10.000 Euro mit den Konzerten verloren und bin dadurch wiederum massiv gesundheitlich am Stock gegangen. Auch hatte zum Schluss die Familie und mein Hauptberuf unter dem Stress extrem gelitten und somit kam nur die eine Endscheidung als Option in Frage, was dann zum Glück auch alles recht fix über die Bühne lief.

Ich habe zum Schluss immer nur gesagt, wenn mich jemand nach den Beweggründen der Beendigung fragte „Stell dir vor, da gibt es lauter geile Konzerte mit bekannten Bands und keiner geht hin“. So war es ja dann auch.

PP:
Kam die Entscheidung so schnell für dich, wie es für mich nach außen aussah, oder war das schon ein längerer Prozess?

Nico:
Der Prozess dauerte schon länger an, da ich gesundheitlich sehr angeschlagen war, aber so richtig die Notbremse zog ich dann erst im April, dass im Juni mit dem Bottich Schluss ist. Es gab dann noch ein paar legendäre Konzerte in Kooperation mit dem Kupferdächle von mir und ganz beendet habe ich die Veranstaltersache dann im Dezember 2013.

PP:
Nochmal zurück zu deiner Aussage, „lauter geile Bands und keiner geht hin“: Woran lag das? Keine Szene in Pforzheim?

Nico:
Zum einen klar, keine Szene und zum anderen ist es angesagter, die gleiche Band in Stuttgart oder Karlsruhe bedeutend teurer zu sehen. Statt die Bands direkt vor Ihrer Haustür ohne Auto fahren usw. zu sehen, haben sich die Leute lieber den Stress gegeben und sind eben in andere Städte gefahren. Andererseits sind 80% der Gäste von mir aus anderen Städten gekommen und fanden es mehr als toll, was da aufgespielt hat. So unterschiedlich können die Meinungen zu dem Thema sein.

PP:
In dieser Ausgabe behandeln wir das Thema ‚Grauzone‘. Im Zusammenhang mit der Beendigung der Subkultura Konzerte steht ja das Engagement von RASH Stuttgart, die bei einem Konzert zum Boykott einer Band aufriefen. Und diesem Ruf wurde Folge geleistet. Ich will hier nichts aufwärmen, sondern einfach den Zusammenhang herstellen, daß dieses Thema für dich ja dadurch emotionalisiert wurde.

Was ist denn für dich die Grauzone in der Punkmusik? Und hältst du die Differenzierung der ‚Szenen‘ für wichtig wenn eine ‚unpolitische‘ Band mit einer ‚politischen‘ zusammen auf der Bühne steht? Ist Punk nicht IMMER politisch?

Nico:
Was soll ich zu diesem Thema sagen? Jeder sollte wieder anfangen seinen Kopf einzuschalten selber sich zu Themen Gedanken machen. Zur genannten Konzertabsage muss man ja noch dazu sagen, dass eine sehr links politische Band extrem kurzfristig ohne die Chance auf eine Diskussion abgesagt hat und diese wiederum an dem Abend mit Feine Sahne Fischfilet spielen sollte. Hier wurden einfach diverse Spiele von einzelnen Leuten gespielt, die Bands massiv unter Druck setzten und zum Schluss auch öffentlich im Internet gegen mich als Nazi-Freund mit vollem Namen Hetze betrieben. Erst nach Drohung rechtlicher Schritte wurde dann mein Name innerhalb kürzester Zeit geschwärzt. Das was manche Gruppen inzwischen machen ist meines Erachtens keine antifaschistische Arbeit mehr, denn wenn Antifaschisten als Nazi-Freunde hingestellt werden, ohne dies mit standhaften Punkten zu begründen, dann muss man sich tatsächlich deren Daseinsberechtigung überlegen. Ich selber bin in vielen verschiedenen linksradikalen Gruppen und zahle jeden Monat an verschiedene Organisationen Geld und kann solch eine Anschuldigung nicht akzeptieren.

PP:
Der BOTTICH wurde ja durch deine Konzerte zu einer festen Größe im Tourkalender vieler Bands. Und Pforzheim quasi „weltbekannt“ durch Bands aus Amerika, China, Dänemark, England, etc. Was geht noch in Pforzheim, wie sieht’s mit der Zukunft aus?

Nico:
Pforzheim ist tot. Mehr muss  man dazu nicht sagen. Wer coole Bands sehen will oder coole Partys haben möchte, muss nun zwischen 40 bis 100km Fahrt auf sich nehmen. Zum Glück hab ich inzwischen eine Familie und genug Sachen zu tun, dass es mir inzwischen schlicht egal ist. Ich habe in 9 Jahren über 600 Bands nach Pforzheim gebracht und das von ganz klein bis ganz groß aus aller Welt und es wurde hier nicht angenommen und somit hat der Pforzheimer Sägl nichts anderes verdient wie grau in grau.

PP:
Mit den Sachen, die zu tun sind, kommen wir wieder auf deine Booking-Agentur. Du hast ja sozusagen „die Seiten gewechselt“! Vom Menschen der 800000 Anfragen pro Tag bekommt, zu einem, der sie nun selbst verschickt. Wie lernst du nun die Szene / Läden kennen?

Nico:
Ich kenne ja aus meiner Veranstalterzeit einige Leute in anderen Städten, mit denen ich schon länger zusammengearbeitet habe. Ich habe in der Vergangenheit auch schon Bands nach Pforzheim, abseits von Touren geholt, und dann eben noch das ein oder andere zusätzliche Konzert in anderen Städten dazu gebucht.

Insgesamt muss ich aber nüchtern feststellen, dass kleinere Underground Bands und Newcomer es immer schwerer haben, an Konzerte zu kommen und es im Bereich 150-300 Gästen immer weniger Clubs gibt. Leider macht sich auch Pay to play immer mehr breit, was meines Erachtens ebenfalls die Live Szene kaputt macht, da nur noch Bands spielen können, die es sich leisten können, einen Club anzumieten. Ich bin gespannt, wie die Entwicklung voran geht und bin positiv eingestellt, dass das alles wieder besser wird.

PP:
Ich wünsche dir weiter viel Erfolg! Tausend Dank für dieses Interview.
Schlusswort?

Nico:
Schaut euch die Bands an, die ich betreue, bucht Sie und/oder geht auf die Konzerte. Dir auch viel Erfolg mit deinem Fanzine.

Nico machte zwischenzeitlich den Vinyl-Keks, bei dem ich heute noch bin.
Er hat sich das Leben schön gemacht, in dem er Vinyl veredelt in diversen Varianten.
Schaut euch das mal an:
vinylmanufaktur.
noisyplastics
ich denke, bei subkultura-booking ist er nicht mehr, hat er aber auch mitgegründet.

PS: ihr habt das Gefühl, ich sollte mal wieder mit ihm sprechen? Lasst es mich gern wissen, auch, was ihr denn gerne von ihm wissen würdet!

Autor: felixfrantic

post-deutschpunker. Chef-Redakteur bei ProvinzPostille (Fanzine, Online-Mag) seit 2014 Gitarrist*in bei pADDELNoHNEkANU (Punkband) seit 2002 CEO bei Krachige Platten (Label) seit ewig Redakteur bei Vinyl-Keks (Online-Mag) seit 2019 "Irgendwas mit Medien" bei Lautstarke Filme (Videoclips) seit ewig Labertasche bei Plattenschau Podcast seit 2023

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