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LP: friedemann – naiß

Friedemann, der Sänger der Band COR, hat ein neues Soloalbum aufgenommen. Er erzählt schon recht viel im Interview mit Nightshade. Ich werde im Lauf des Reviews ein, zwei Infos aus diesem Interview ziehen, da ich diese Platte hier selbst gekauft habe und keinen Promozettel vorliegen.

Ich hab nun jetzt ne Weile gebraucht, aber heute nehme ich mir die Zeit für diesen Review. Friedemann ist zu Dackelton Records gewechselt. Im Vorfeld gab es einige Nachrichten dazu, ein Interview und ein Video.
Zuerst den überliebenwerten Track und vor allem das Video zu “ich liebe es zu wandern” mit und um Gabor, einem Menschen, der mit Rollstuhl wandert.

Ich hab mir das alles ne ganze Weile angeschaut, mal reingehört; manchmal ist seine Art etwas, was ich gerade gar nicht in mein Gehörfeld lassen möchte. Diese Schwere, die er mitbringt.
Auch wenn vieles bei mir Melancholisch sein darf, habe ich doch Zeiten, in denen ich die erhellende Melancholie bevorzuge.
Das Cover, als es ankommt, bestätigt ja nun diese Düsternis, die Wut, das Alptraumhafte.
Und das eben angefügt: MIT Downloadcode und Poster, im Gatefoldcover, Einleger mit allen Texten dabei. Gibt es in schwarzem Vinyl oder in weißem. Es passt beides ganz hervorragend zum Gesamtbild – aus einem Guß. Fantastisches Artwork! Alles richtig gemacht.
Und als ich die Platte auflege kommt da eben nicht der erwartete Akustiktrack. Ein tiefer Bass, danach ein leichjtfüßiges Tanzlied mit einem sehr schlauen Text “kauft nicht bei Amazon”.
Es ist Friedemann ein sehr wichtiges Thema.

Friedemann hat sich befreit. Soundmäßig auf jeden Fall. Eine Band begleitet ihn bei einigen Songs, was alles so wahnsinnig offen macht. Mit ihm zu hören sind Tino, Peter, Maddi und Eike.

Diesen quasi typischen Track, dieses Getragene, traurig Melancholische, das offene Aussprechen. Hier Friedemann solo. Intensiv. Klar.
“Sommerende”

Ich will eigentlich gar nicht viel sagen” in diesem Review. Friedemann macht das ja schon so irre gut. Insgesamt musikalisch abwechslungsreich! Er selbst schreibt dazu in den Linernotes:

ich wollte diese Platte nicht machen. Der Grund war Hoffnungslosigkeit. Kaum Touren, kaum Verkäufe der letzten Platte, kein Kontakt zum Zuhörer. Der Supergau für jeden Musiker. Das Nagt und macht pessimistisch. Ich hätte dieses Projekt staatlich fördern lassen können, aber das ist nicht der Weg, den ich als unabhängiger Freigeist gehen will. Also habe ich mir mit Hilfe meiner Familie, mit der Hilfe von Freunden (hier stehen einige Namen!) und der Unterstützung von Tino und Peter – die mir die schönsten Studiotage meines Musikerdaseins in Form von wahnsinnigen Livesessions geschenkt haben- NAIß aufgenommen.
Ich hoffe sehr, ihr tragt mich weiter. Ich hoffe sehr, ihr hört mir weiter zu. Ich wünsche mir ihr, versteht und bewegt die Welt.

Danke Friedemann, für dieses schöne Album!

Der letzte Song “frieden machen” ist von Gundermann der Band City.

Zu haben gibt’s das bei Dackelton oder bei Friedmann direkt. Oben im Text verlinkt!

PS: Zum Abschluß der mini-mini-Wehrmutstropfen: die Platte wurde zu locker eingepackt. Die Platte im Cover ist hin und hergeschlackert und hat jetzt einen Cut an der Ober- und Unterseite. Ich find das nicht schlimm, geht ja um die Musik, die drauf ist. Ich weiß aber, dass es genügend Sammler gibt, die eine 1A -Sammlung haben (wollen) und dann rumnerven; eigene, leidvolle Erfahrung. Deswegen teile ich das gerne mit.

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LP: 100 kilo herz – akustisch im gewandhaus

(dieser Review erschien schon beim Vinyl-Keks)
Am 03.02.2023 erschien die LP “akustisch im Gewandhaus” von 100 Kilo Herz in den Shops und in euren Ohren; und ich hab keine Ahnung, wo ich diesen Review anfangen soll.
100 Kilo Herz, eine Punkband mit Gebläse-Sektion, die sich durch solidarische, kritische, herz-liche Lieder in unsere Herzen gespielt haben. Die im letzten Jahr einen berechtigten, wie auch von Seiten der Band reflektiert aufgearbeiteten, Shitstorm über sich ergehen lassen hat müssen. Eine (ist das noch?) Punk-Band die, durch die Bläser eben auch musikalisch unausweichlich, hochmelodischen Punkrock machen, mit Reibeisenstimme, Reimschema und Versmaß.
Nun stehen da, außer der ohnehin schon sechs-köpfigen Band, 10 Menschen auf der Bühne, die die Punkmusik der Band in ein akustisches Gewand packen.
Was ich mal vorweg sagen möchte ist, dass es für Punkbands heute wichtig sein sollte, in Locations und vor Publikum zu spielen, was “normalerweise” nichts mit dem Sound anfangen kann. Oder auch nicht unbedingt mit dem permanenten Querulantentum und Gemaule über gesellschaftliche Probleme, der Untergangsstimmung, die permanent durch die Lyrics weht. Und das machen 100 Kilo Herz schon von Anfang an echt gut. An den Stellen, an denen ihr Sound zu seicht wird, ihre Songstrukturen zu überschaubar, erreichen sie hoffentlich genau die Leute, die sonst nicht hinhören!
Und der Inhalt kriecht in ihre Ohren und versetzt ihre Hirne in Schwingung und sie beginnen zu denken. Sich zu engagieren, was immer.

Folglich ist es für mich absolut schlüssig, dass sich die Band so in die Herzen eines größeren Publikums gespielt hat, das auch im Gewandhaus sitzt, wo sonst eben klassische Musik gespielt wird. Wo Dirigenten ein Orchester durch den Abend geleiten und nun eine Brass-Punkband steht, die vor einem sitzenden Publikum in weißen Hemden, Fliege und Krawatte ihre melancholisch, kritischen Songs zum besten gibt.

Diesen Song spielen sie auch im Gewandhaus als ersten. Im Text heißt es:

Na klar habt ihr auch Hobbys, man muss ja was riskier’n
Mit Aktien spekulier’n, ein wenig Geld transferier’n
Und ich bin mir sicher, ich kann genau so sein
Alle, die zu wenig haben, vom Restgeld befrei’n

Ist doch genau das richtige Publikum, sofern denn außer Fans auch Menschen dort waren, die sonst die besagte Klassische Musik erleben.
In der Promo heißt das “Punkrock meets Hochkultur”. Als alter Couchpunker kommt mir da schon ein hochnäsiges Lachen aus der Kehle, respektive dem, was ich oben schon schrieb. Also ein lachendes und ein weinendes Auge!
Auch könnte man meinen, da es ja bekanntere Bands gibt, die gerade im Halbjahrestakt exklusive Media-Books rausbringen, dass 100 Kilo Herz eventuell etwas hoch greifen, nach gerade mal zwei Alben.
Wobei die Band es einfach schafft, greifende Hooks und gute Texte in abwechslungsreiche Songs zu packen, und das eben in kürzerer Zeit, als manch andere. Ich kann die beiden Platten “weit weg von zuhaus” und “stadt, land, flucht” wirklich empfehlen!
Wie auch immer, die erste Seite, bzw. die ersten sechs Songs haben mehr Tempo und starten lebhaft in dieses Set. Seite zwei beginnt mit viel Piano zu den Songs “Laternensong” und “Rücksitz”. Sind echte Gänsehautmomente.
Ich finde, dass man schon merkt, dass 100 Kilo Herz noch nicht die 100%-Profis sind. Aber genau das freut mich total, denn abgeklärte Rockbands gibt es echt genug und Punk lebt davon, dass man nicht alles perfekt abliefert! Die zusätzlichen Instrumente, gespielt von Stefan Didt (Saxophon), Jost Elvers (Posaune), Lorenz Fröhlich (Trompete) und Stephan Mühl (Percussion und Ukulele), bringen wirklich eine schöne Farbe in die Musik von 100 Kilo Herz.
Anspieltipps auf dieser Platte namens “akustisch im Gewandhaus” sind ganz klar “an Ampeln” (den mag ich sowieso voll gern und erinnert mich wahnsinnig an Captain Planet – und die sind auch eine ganz große Liebe) und noch “die Guten”!

Zum Abschluss: ganz großen Respekt an die Band, die sich da musikalisch absolut weiterentwickelt hat. Einzelnen Songs nicht nur einfach ein neues Instrument hinzugefügt, sondern auch an der Struktur gearbeitet hat.
Wer weiß, ob sie dieses Akustikset nochmal so aufführen; für dieses eine Mal allerdings wirklich klasse gespielt und mit maximaler Leidenschaft vorgetragen.
Könnt ihr hier live erleben:
20.01.23 Bitterfeld, AKW
21.01.23 Husum, Speicher
27.01.23 Zwickau, Kein Bock auf Nazis Festival
26.05. – 27.05.23 Kronach, Die Festung Rockt
24.06.23 Münster, Vainstream Rockfest

Das hier präsentierte Mediabook mit LP und Booklet gibt es bei Coretex.
Die Version im Gatefoldcover bei JPC
Erschienen bei Bakraufarfita Records. Aufgenommen im Rahmen der Reihe “Leipzig klingt weiter”.

PS: Wer nun in diesem Review vermisst, dass ich mich mehr äußere zu den Vorwürfen gegen den Ex-Gitarristen der Band (2021 bereits aus der Band ausgeschlossen), der kann sich sehr gerne das Statement von Rock am Berg Merkers vom Sommer des letzten Jahres durchlesen (und den Links dort folgen). Inzwischen hat sich einiges getan. Die Band und auch ihr Label Bakraufarfita haben sich konsequent um Aufklärung und Aufarbeitung bemüht. Ich habe da einiges mitgelesen, denke, die Band und die Crew machen das sehr gut und sind mit ihrer Art & Weise damit umzugehen wesentlich näher am Menschen und Geschehen, als so manch andere; hier nenne ich keine Namen.