Herr Paulsen und das Zeitproblem, hier nochmal die LP “aufgewacht verlaufen”.
Ich nehm einfach zum Anlass, dass wir in einer echt seltsamen Phase stecken, so zwischenmenschlich, bin aufgewacht und habe mich in éinem Gedanken verlaufen. Seit letztem Sommer, Aufgrund Corona, herrschen Schwierigkeiten beim Proben, beim Aufnehmen, Verzögerungen beim Bestellen und Liefern.
Erfindet selber Gründe! Jedenfalls ist mein Gedanke: seit einem Jahr gibt es keine Musik mehr. Nichts erschienen, keine neuen Platten, man hört nur noch das alte Zeug; wird auch nichts mehr kommen.
Philipp ist der Gitarrist der Band, ein alter Kumpel von mir, spielte mit mir mal bei pADDELNoHNEkANU und gründete mit unserem Trommler die Band “Herr Paulsen und das Zeitproblem”. Sie brachten ein rotziges und wütendes Demo heraus mit dem Artworker, der auch das Anatol Cover “rette sich, wer darf” gemalt hatte.
Wir versuchen, wie viele, irgendwie Kontakt zu halten, was uns ohnehin etwas schwer fällt, leider, sorry. Es st dann aber immer mal schön, die quasi Compilation CD mit dem Demo und der letzten Scheibe, um die es hier eigentlich ja geht, in den Player im Auto zu schieben.
Ein weiteres Review der selben Platte, so was hat wohl noch nicht gegeben, jedenfalls nicht nach knappen zwei Jahren. Wohl eher beim Rerelease oder 20 Jahre-Jubilat.
Mir fällt nach einer so langen Pause des Nicht-Hörens auf, wie wahnsinnig abwechslungsreich Herr Paulsen und das Zeitproblem zur ersten Platte geworden sind. Musikalisch wie auch Textlich immer noch Dinge ausprobiert werden und man als Band die sich nun dann auch schon ein paar Jahre kennt, zusammen spielt, immer wieder auf der Suche ist nach etwas Neuem.
Bei diesem Gedanken fällt mir dann auf, wie schmerzlich ich Philip’s Ideenreichtum bei pADDELNoHNEkANU vermisse. Dieses “nicht machen, was andere machen” und auch nicht dem Songwriting folgen, was irgendwer für richtig und “gut hörbar” empfindet. Sondern sich von den Gefühlen und den (manchmal) spontanen Ausbrüchen im Proberaum hingibt; um dann in der dritten Version an dieser vermalledeiten Idee zu verzweifeln. Augenzwinker.
Das man ein viel zu langes Intro spielt, dass man eine kindische Freude daran hat ein bisschen holprig zu sein. Was sogar ein bisschen überfordert anhören könnte; für einen selbst UND die anderen. Und das ein Ziel da sein könnte, man aber gar nicht so richtig dort ankommen kann, weil man über den Drei-Akkorde- Tellerrand hinausblickt, am Horizont nach neuen Möglichkeiten, neuen Chancen sucht.
Sie schwelgen zwischen der frühen Angepisstheit, als die Band noch in Baden-Baden ansässig war und der Ruhe und Klarheit, die ein bisschen klingt wie Muff Potter oder Schelm, Indie angehauchter Punkrock. Songs, die vor Urzeiten gespielt wurden und jetzt im neuen Gewand auftauchen. Ersteinmal befremdlich für mich, der die Urversion schon vor Jahren abfeierte. Darf man das als Band machen?
Naja, wenn man es so sieht, dass Philip eine neue Band mit Martin, Clemens und Steven gegründet hat. Die fanden den Bandnamen total geil, also warum nicht? Fällt doch in quasi den selben Gedanken wie: diesen Song spielen wir nochmal, aber anders. Wie hier mit “Myosotis” geschehen, den Tom von Freiburg / Auszenseiter gesanglich seine Note geben durfte.
Ich hatte mich das tatsächlich schon öfter mal in meiner Zeit als Musiker gefragt, wieso man ein neues Intro schreiben kann, warum den Song nicht verändern, schneller oder langsamer oder wütender spielen? Warum nicht dann auch noch mal Aufnehmen? Euch werden sicher einige Beispiele einfallen von Bands, die das schon gemacht haben. Ist ja sicher keine neue Idee!
Ich habe gerade einfach extrem Spaß daran, euch meine Empfindungen, Erinnerungen und Gedanken mitzuteilen, die mir beim hören dieser tollen Platte durch den Kopf gehen.
Auf Seite B gibt es bei “überholt” wieder ein superlanges Intro. Geil.
Und an solchen Stellen maulen einige Schreiberlinge, Kollegen und Kolleginnen am erwähnten Songwriting rum oder merken auf, dass das ja kein Punk sei. Hierzu folgende Bemerkung: lest Verrisse nicht. Die wenigsten sind so gut geschrieben, dass man als Leser*in versteht, warum die Platte missfällt. Es ist meistens schon eine verfi**te Zeitverschwendung, sie zu schreiben (und gar abzudrucken). Dann lieber nix.
Vielen Dank fürs Lesen! Zieht euch Herr Paulsen & das Zeitproblem rein. Herzpunk. Von Herzen Punk. Die haben sicher noch ein paar Scheiben. Ich hab noch ein paar Platten im Bauchladen. Elfenart. Weißes Vinyl, Texteinleger, DL-Code und ein paar Sticker.
Schlagwort: tanz auf ruinen
review: ZILP ZALP – auf den Fersen LP / split/PROBABLY NOT LP
Vom wunderbaren Label Tanz Auf Ruinen habe ich vor einer Weile die beiden Alben der Band Zilp Zalp zugesandt bekommen. Ein Full-Length, ein Split.
Ich fange mal mit der Split an und der Band Probably Not deren Seite, oder vielmehr EP “more than skin” titelt. Zehn kurze Songs schallen in die Ohren. Probably Not kombinieren ruhige Emo-Parts, oft ein wenig vertrackt und verschachtelt, ab und an mit einem Blast-Beat. Druck hat die Gitarre nicht, sondern es scheint sich eher Struktuell um die Melodien zu drehen, die Bass und Gitarre gemeinsam spielen. Und die Energie die damit rüberkommt.
Das finde ich echt sehr spannend. Der jugendliche Überschwang der Band macht richtig Spaß, nimmt mich mit.
Rausgekommen ist diese Split-Platte bei acht (!!!) Labels, unter anderem eben Tanz Auf Ruinen, Smart & Confused (Paris based), CGTH Records (aus Ferrolterra, Spanien), Entes Anomicos, Schädelbruch Platten(Bielefeld), Sunsetter Records, Callous Records (Bristol, England) und Trace in Mace (Booking und Label der Band KYHL).
MAL BEI CROSSED LETTERS SCHAUEN!!!
Dann kommen Zilp Zalp. Ich nehme jetzt einfach mal an, dass der Bandname eine Lautmalerei ist. Ein Ruf eines Vogels oder sowas. Mit der Musik, die die Band selbst als Twinkle Skrams bezeichnen (…) hat es wohl eher nichts zu tun. Ihre EP hat den Titel “unter dem eis”.
Gleich der erste Song heißt KYHL, ist geschrieben, wie eine gleichnamige Band, die auch auf Tanz auf Ruinen bereits erschienen ist.
Das Vinyl sehr schönes Weiß gesprenkelt.
Der Sound ist echt außergewöhnlich, geht nicht mal eben ins Ohr, gegen die Hörgewohnheiten; falls es sowas bei Screamo geben kann. Die Instrumente sind nicht so gemischt, wie “sonst” oder “bei andern”. Ich ringe da ein wenig nach Worten, da mir die Vergleichsmöglichkeiten fehlen. Aktuell ist da zB Shakers, die ich reviewed habe.
Zilp Zalp spielen sehr vertrackten Screamo, der viel über laut/ leise funktioniert. Darüber ein sehr emotionaler Sprechgesang. Die Gitarrenriffs hören sich an, als ob der Gitarrist sie auf der Brust kleben hat; ich kann mir nicht vorstellen, dass man anders so furiose Tonfolgen runterknallen kann. Dadurch steht die Gitarre sehr im Vordergrund, hat aber recht mittgen Sound, wogegen das Schlagzeug wiederum klar gemischt ist, einen sehr plastischen Druck.
In den klareren Momenten hat die Gitarre einen sehr differenzierten Sound, trotzdem bleibt der Gesang immer weit zurückgenommen. Was sicherlich ein weiteres Instrument und Ausdrucksmittel sein soll. Es spielt die ganze Band im Vordergrund steht nicht der Einzelne.
Die EP geht zu Ende und Zilp Zalp treten ab und an auch ordentlich aufs Gaspedal. Ein wirklich sehr abwechslungsreicher Release.
Thomas von Tanz auf Ruinen hat mir auch gleich noch die LP dazu gepackt, die kommt jetzt:
“…auf den Versen”
Das Album stammt schon aus 2016. Eine schön gestaltete Textkarte steckt mit drin. Inside Out Cover und schneeweißes Vinyl.
Zilp Zalp damals noch etwas ungestümer und etwas rougher, weniger ausgefeilt, dafür mit mehr Energie & mehr Geschrei. Der Sound läuft echt gut. Beide Platten sind wirklich spannend, musikalisch ist das wirklich sehr emotional geworden, das macht großen Spaß, braucht aber auch ne Ecke, bis man einen Zugang gefunden hat.
Ich denke live muss die ein ziemlich zappeliger Knaller sein.
Ein paar Worte noch zu den tollen Titeln “Kundenkannibalismus”, “dann bleibt doch in euerm wohlverdienten Urlaub” oder “Teigmantel und Zwangsjacke”.
So dystopisch es klingt, ich denke der Band ist viel daran gelegen doch auch einiges an Hoffnung auf Erneuerung zu geben.
Gegen eure Identität, euren Stolz, eure Sicherheit.
Eure Konformität ein loses Gerüst.
Und ich träume jeden Tag davon, dass es zusammenbricht.
(brachland)
review: BLACK SQUARE – potatoes gonna potate MC
Was bringt diese Zeit? Das haben sich Fini und Bonny von BLACK SQUARE wohl auch gedacht und im Frühjahr ein Zwei-Personen-Stück geplant, geschrieben, aufgenommen, auf Tape gebannt und in die Welt hinausgeschrien. Das ist maximaler Output in kürzester Zeit.
Fini ist noch neu im Gesangsmetier, Bonny spielt Gitarre bei den Deislers. Er hat sich ein wenig mit Homerecording beschäftigt, um Fini die Möglichkeit zu bieten, ihrer Wut einen Kanal zu geben. Und es brachen wohl Dämme.
Woher ich das alles weiß? Nun, das Tape ist schon ein paar Monate raus und die Themen die Fini anspricht sind aktuell und bleiben es auch. Obendrauf kommt noch eine wichtige und richtige Diskussion über Mackertum in der Punkszene. Ihr könnt sehr viel nachlesen, denn die Aussage in einem Bericht im OX-Fanzine “Fini sei die Freundin von…” hat den Ausschlag gegeben, das Thema mal ganz präsent vor Augen zu führen.
Hier ihre Reaktion bei der TAZ
Einem Interview zum Thema und zu Sexismus in der Punkszene beim Vinyl-Keks.
Es gibt auf ihrer FB-Seite noch einiges mehr zu lesen.
Und ganz aktuell und “brandheiß” sozusagen ein Interview mit Lizal von Die Dorks, Fini und Diana Ringelsiep beim BR.
Klar wird schnell, dass alle Texte radikal Links sind. An dieser Stelle finde ich es richtig gut, dass ich mir etwas Zeit gelassen habe, den Review zu machen, denn hier geht eben mal nicht um die Musik allein. Hier geht es um das Thematisieren von Dingen, die uns auch in unserer gewählten Bubble über den Weg laufen. Und immer und immer wieder gucken wir nicht richtig hin. Wahrnehmen geht dann vielleicht, wie hier bei diesem Release, mit dem melodischen Holzhammer, den Fini und Bonny als Black Square ausgepackt haben. Gegen Rassismus, gegen die moderne Sklaverei: „Jeder Aufruhr ist immer nützlich, so erfolglos er auch sein mag.“
Klar kann ich auch noch was zur Musik sagen: hoch melodischer HC-Punk, schnell, ungestühm und wütend. Aber eben das steht wohl auch bewusst nicht im Vordergrund. Es kann aber ein Grund sein, sich das mal anzuhören und zu unterstützen!
Neueste Aktion kommt: Stoffbeutel für SeaWatch. Haltet die Augen offen.
Noch ein schnelles Wort zum Cover: ich habe tatsächlich einige Male drauf gucken müssen, um zu verstehen, was mir die dunkle, durchgestrichene Pommes sagen soll. Es ist soooo wichtig an unserer Wahrnehmung zu arbeiten!
Tape erschienen bei den Labels Black Cat Tapes, Colossus Tapes und Tanz auf Ruinen
review: HERRPAULSEN UND DAS ZEITPROBLEM – aufgewacht verlaufen
Natürlich dachte ich ‘hej, die nächste Scheibe heisst bestimmt III’. Bin dann aber doch aufgewacht: verlaufen.
Auch das Cover hat sich komplett gewandelt. Eine weitere Variation von schwarz/weiß hätte es ja auch nicht mehr geben können; oder doch? Alle Zeichen stehen auf Veränderung.
Da ist richtig viel passiert in der Musik.
Ich denke mal, die paar Hörer, die HERR PAULSEN UND DAS ZEITPROBLEM inzwischen für sich gewinnen konnte, sind so offen und freuen sich mit der Veränderung. Wären sie hundertfach berühmter, hör ich schon die Individuellen quatschen über ihre Erwartungshaltungen. Ich denke mal, bei der Band schert man sich herzlich wenig darum.
Los gehts mit “day 7” einem Zitat, einen kleinen Reminszenz an die übergroßartigen THE NOTWIST. Die ham ja musikalisch auch mal woanders angefangen. Die Entwicklung ging mir aber irgendwann extrem auf den Sack. Bei HERR PAULSEN UND DAS ZEITPROBLEM kann ich mich aber freuen. Die hörbaren Verbindungen gehen bei der Band einfach nicht aus. Gesang und teilweise auch die Musik klingen nach den nicht mehr ganz verblichenen MUFF POTTER, ein Song vom Demo “myosotis” ist auch mal wieder dabei. Ihr solltet diese Demos nachträglich veröffentlichen 😉 sind echt geile Nummern drauf! Was allerdings nicht heissen soll, daß das eingespielte Stück heute nicht genauso gelungen ist!
Was sich auf der II noch nach LYGO angehört hat ist nun mehr so “atmen, weiter…” oder KRAWEHL. Einschläge aller möglichen deutschprachigen Bands erfreuen das Gehör ohne eine direkt zu kopieren.
Das Ganze endet mit (einem) “feuerwerk”. Insgesamt drehen sich die Lyrics um Verlust, Leben, aufwachen und feststellen, daß man sich möglicherweise verlaufen hat, der Traum geht bald zuende.
hören
Greift zu. Ihr bestellt sicher die nächste Turbostaat oder die Oiro bei flight13. Bestellt das mal getrost dazu!
erschienen bei den wunderbaren
30 kilo fieber
elfenart
tanz auf ruinen