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LP: die Schornsteinfeger – nachts im trümmerviertel

Nachdem das bei meinen Kollegen vom Vinyl-Keks mal in einem Gespräch aufkam, dass man doch mal “andere Musik” besprechen solle, als sich um seinen eigenen Kosmos zu drehen, fand ich das eigentlich eine gute Idee. Dann kamen die Vorschläge. Pop-Schlagerbarden. Für mich als Punk: NO FUCKING WAY!
Beim Keks sind wir vielfältig, geil, aber nicht bei der ProvinzPostille.
Also machte sich der kleine Punker auf die Suche; und ich musste gar nicht lange suchen. Nein, es war auch kein: ich habe es ausgesprochen und als nächstes bekomme ich in meiner Smartphoneapp Kaufvorschläge. Ich stolper also so rum und falle fast, taumle, kann mich aber vor Begeisterung schnell wieder fangen über das Label Frischluft Tonträger.
Aus dem Bauch der Freude heraus schreibe ich und Krischan, der Labelmacher und Mastermind hinter all dem, was dort zu finden ist, antwortet recht schnell.
Ich stelle fest: das ist ein komplett irrer Typ! Er hat über 30.000 Tonträger zuhause, die meisten sind Singles. Und diese nur anzuhören ist wohl zu wenig. Da muss, darf, also ein kreativer Output her. Und das macht Krischan mit Frischluft Tonträger nun schon über 30 Jahre. Bei Discogs finde ich den ersten Tonträger von 1987 “die Honigritter”.
Bisher knapp 20 Veröffentlichungen, wunderbares Artwork, alles sehr liebevoll gestaltet, mal als 7inch, mal 10inch, Flexi-Disc oder auch als Langspielplatte. So wie mir hier nun eine aktuellere vorliegt.

Die Schornsteinfeger – Nachts im Trümmerviertel, veröffentlicht Dez. 2022; darum soll es hier nun also gehen.

Es ist keine selbstgemachte Schlagermusik. Also nur teilweise selbstgemacht, aber auch nicht. Vor allem im Sinne von “selbstgemacht” meine ich: da hat jemand zuhause viele tausend Platten und Krischan nimmt sie und mischt. Easy Listening-Schlager und Edgar Wallace-Jazz. Das wird neu zusammengwürfelt zu, ja, Popmusik, die den Klangteppich bildet. Darüber liegt immer mehrstimmiger Gesang mit recht witzigen Texten.
Auch nach dem dritten, vierten Reinhören kann ich immer noch nicht sagen, ob es da irgendeinen Bogen gibt. Ein wenig hilft mir das “Begleitdokument” zu diesem Release.
Krischan ist es sehr wichtig festzustellen, das “Nachts im Trümmerviertel” keineswegs zynisch sein soll, dennoch Angesichts des Krieges in Europa, es für den ein oder anderen so erscheinen mag.
Es gaht auf dieser Platte um die Wirtschaftswunderjahre der jungen BRD und soll gleichzeitig eine Allegorie sein auf das Überwinden einer Krise. Das zentrale Motiv ist Hoffnung.

Die Texte passen jeweils immer zur Stimmung der Musik. Wenn es mal etwas flotter, swingig ist, “unterwegs mit dem Fuldamobil” ist es lebendig und witzig.
Jedenfalls ist es nie erwartbare Musik. Es gibt keinen Bogen der zu einem Schunkel-Refrain und alle singen mit führt sondern es kommt ein spannender Übergang, ein Pling, ein Swing, ein kleines Musikschnipselchen welches plötzlich für Spannung sorgt.
Und das alles durchaus gefällig für die Ohren!
Es könnte auch klasse Filmmusik sein!
“eine Tür, die da vorher nicht war” “Träume hinterm Schwalbenloch” “Glückwunsch lieber Radiergummi” “so tanzt man in der Hammondbar” – ihr könnt die K-Tel Scheiben eurer Eltern wirklich wegschmeißen. Unbedingt, die will keiner mehr. Geht mit der Zeit und lasst euch entführen. Ich fands (und finde es noch) mega, mich mal für eine halbe Stunde wegziehen zu lassen.
Die Songs sind übrigens alle sehr kurzweilig. Ich würde sagen so zwischen einer Minute bis maximal zweieinhalb.
Ich feier das hier schon ab, weil es in meiner Welt eine anarchistische Vorgehensweise ist, diese musikalische Welt einmal auf den Kopf zu stellen und umzukrempeln.

Somit hat der kleine Punker im großen Internet etwas überm Tellerrand gefunden, was ihn ausgebremst hat, darüber hinaus zu fallen.

Interview mit Krischan, der das Ganze im Alleingang betreibt.
Cloudberry Cake
Und noch ein wenig Musik:

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LP: how i left – birds in the city

Der süddeutschen Provinz entsprungenes Duo mit Julian Bätz (Gesang, Gitarre, Klavier, Orgel) und Jazzdrummer Michy Muuf.
Und ich schrieb sie wieder an, weil mir erstmal dieser schöne Bandname im Gedächtnis geblieben ist, zum andern mir gleich die CD von vor… zig Jahren rauskramte, als ich sie auf irgendeinem kleinen, Tattoo- Burgerevent- Ding live sah. Es regnete leicht, es war Sommer, die Musik sowas von passend.
How I Left waren damals schon, ach “sniffing Glue with Frank Sinatra” hieß das gute Stück, mit dieser, ja ich muss es sagen, bezaubernden Leichtigkeit gesegnet. Ich schrieb 2016 einen Review dazu.
Soviel zum Vorgeplänkel. Nun, die beiden, die als Duo in Erscheinung treten, allerdings schon auch mit Bassist live unterwegs sind, haben sich also Zeit gelassen, Songs zu schreiben, ein Label zu finden und uns das dann in Gänze zu präsentieren.
Ein erstes musikalisches Winken kam mit “continental”

Eine Americana-geprägte Mischung aus lässigem Slackerfolk und eingängigem Indie-Pop. Oder in meinen Worten: mich erinnert das an erste Experimente aus dem Hause Notwist, als sie noch in den 90ern auf dem Label Hausmusik Bands wie Village of Savoonga veröffentlichten. Vermutlich haben How I Left auch gar nicht wirklich etwas damit zu tun. Die meisten schreiben, dass man sich an Weakterthans, Wilco oder Ben Kweller erinnert, wenn man der Band lauscht.

Nun, was machen sie denn dann für mich so interessant?
Weil sie live etwas roher klingen. Weil sie einen gewissen Punkspirit nicht wegleugnen können; obwohl sie heute halt eben komplett andere Musik machen.
Hier nochmal das gleiche Stück bei der Melting Butter Livesession.

Man spürt es manchmal in den Drums, manchmal in den Drei-Akkord-Folgen, dass da etwas schlummert. Auch schlummern darf. Die Geschichten, die Julian Bätz, Gitarrist und Sänger, erzählt, eignen sich in diesem musikalischen Kontext doch am besten. Hervortreten dafür gefühlvoll raue Indie-Pop-Perlen. Manchmal träumt man sich auf Sommerwiesen, mal entfleucht man elfengleich in den nahegelegenen Wald um in Baumwipfeln zu schunkeln.
Ich hoffe, ihr versteht, was ich meine.
Den Sound haben sie sich von Christian Bethge verpassen lassen (zB. auch Gewalt, Messer).
Orangefarbenes Vinyl.( in diesem Fall), erschienen bei This Charming Man. Dort gab es auch eine transparente Version.

(Dieses Review erscheint ähnlich noch beim Vinyl-Keks)