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LP: interna – nach außen konzilliant

PS: erste Review seit drei Monaten, yeah. Freut euch auf:

Interna, eine Band aus Kiel. Der Wind weht, die Sehnsucht pfeift. Kalt und ein wenig Wolkenverhangen, wahrscheinlich. Ich war noch nie dort. Aber immer “nach außen konziliant”.
Boah ey, studierte Altpunker, ja? Ich schlag jetzt erstmal nach: “konziliant”. Irgendwas mit “so tun als ob man nett wäre”?
Antwort “umgänglich, versöhnlich; im allgemeinen Umgang zu Zugeständnissen bereit” – Mist, ist also ernst gemeint.

Was meint das Trio um Steffen Frahm (Voc, Gitarre), Lars Stuhlmacher (Bass) und Simon Falk (Drums) eigentlich ernst? Hören wir doch mal rein (ich glaube, die Songs gibts bei Deezer – sonst lohnt auch Lesen, Bestellen und dann Hören, zwinker)

Ist das TRIO auf Funk, die in ein Lyricbuch mit Fremdwörtern gefallen sind? Gehen wir zurück.
Das sind Interna, mit Interpretationsflächen in der Größe einer Alufläche in einer Großküche (Selbstbeschreibung). Oke. Ich komme irgendwie nicht weiter und sollte einfach mal die Musik hören.

Das erste Video zum Track “im Schwimmbad mit den Jungs” kam vorneweg. Deutete mehr Poppigkeit an. Allein das Still ist der Hammer mit den Schuhen und dem Unsichtbaren in der Pfütze.
Dazu der Monty Pythons-Look vom Allround-Label Waldinsel Records. Geiel.

Aber was in den ersten drei, vier Songs präsentiert wird, passt so gar nicht zu der “Blaupause”, die normalerweise mit der Single/Video-Auskopplung in den Gehörgängen reift.
Intellektueller Funkpop. Das ist ziemlich abgefahren. Hatte auch schon das Vergnügen, die Band mal live zu erleben. Was sich erstmal etwas angestrengt anhört, ist total locker gespielt, tanzbar, so hingespielt. Man bekommt halt ziemlich schlaue, mitmenschlich-misanthropische Texte präsentiert, die nicht immer 100% zum üblichen Schüttelreim-Vermaß gängiger Popper passt.
Nach der ersten Seite wirkt es, als wäre es eigentlich eine zweite Seite gewesen, denn die Songs klingen aus, hallen nach, wie “MGUS Young”. Ein total reduziertes Stück, welches so gar nicht zu den andern passen will, sich in der Gesamtheit aber absolut einfügt in dieses gekonnte Erstlingswerk von Interna.
Da ich öfter mal die erste Seite VOR der zweiten höre, kann ich hier sagen: so eine erste Seite zu bringen wie diese von Interna, ist schon etwas sehr besonderes!
Man bekommt da nicht einfach die eingängigsten Songs vorgeworfen und gerät in so eine Besoffenheit. Nein, alles hat Haken und Schlingen und Haken, und die sind nur zu dritt.
Irre gute Backsection. Krass geile Bassriffs, zu einem fast stoischen Rhythmus, der, mit Haken (Synkopen) und Schlingen (ineinander verwobenes Songwriting) absolut exzellent ausgestattet ist.
Darüber eine recht simple Gitarre, streng fluffig, gewollt unanstrengend. Hehe.
Das läuft mir schon richtig gut durch.

Nach dem ersten Hören habe noch nicht so ganz gecheckt, worum es in den Lyrics geht. Bei “am jüngsten Tag” ist das schon eindeutig. Kirche und wie Religion zuhause nachwirkt. Aber “Halbgott im Freizeithemd (Schwingkreis)” – eine Ode an alte Vintage Gitarreneffekte? Hilf mir, Steven! Und dem anachronistischem, dass man so zurückbleibt und das Alte total feiert. Die andern, die was Neues machen, sind alle doof.
Da steckt dann auch ein klitzekleines Soli drin, oder ein Riff, was so tut, als wäre es eines, was total spooky ist; ich feier das!

Fast Übergangslos kommt dann “Terrassenwelt”. Das ist der eigentlich Ohrwurm dieses Albums.
Hatte das gute Stück schon als Demoversion hören dürfen, war auf dem ProvinzPostillen-Sampler #9 drauf. Hier das Video dazu:

Die erwähnte Blaupause für Interna, meine Meinung. Nur gibt es diesen Song nicht mal in Ähnlich auf dem Album wiederzufinden. Zwinker.
Knallhart besondere Musik.
Die Gitarreneffekte in “second Golden Age” und “ich will offen für dich bleiben” witzig, wenn Steven die Töne so lang zieht. Und “bring es Heim” ist dann doch der Punksong, dem Genre, dem sich Interna eigentlich verweigern, bzw. permanent wiedersprechen und sich doch daraus entfaltet haben.

Interna, wohl eine der spannendsten Bands, die momentan im Umlauf sind. Ich hoffe, diese Band muss man in Kürze nicht mehr suchen. Die Band ist ein “organisch distinguiertes Mischwesen aus reduziertem Rock und Postpunk mit Einstrahlungen von Noise, Gallium, Disco, IKVD … kreuzbeinigem Funk….” (Eigenbeschreibung) was auch immer das ist.

Gibt es beim Hersteller Waldinsel Records. Erschienen Ende Oktober 2023.
Nach außen konzilliant, nach innen mit Auswirkungen.

(angehört im November 2023, daher auch dieses Foto. Unterwegs geschossen mit meinem mobilen Plattenspieler.
Dieser Review erscheint auch mit Ähnlichkeiten beim Vinyl-Keks. Endlich)

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LP: die Schornsteinfeger – nachts im trümmerviertel

Nachdem das bei meinen Kollegen vom Vinyl-Keks mal in einem Gespräch aufkam, dass man doch mal “andere Musik” besprechen solle, als sich um seinen eigenen Kosmos zu drehen, fand ich das eigentlich eine gute Idee. Dann kamen die Vorschläge. Pop-Schlagerbarden. Für mich als Punk: NO FUCKING WAY!
Beim Keks sind wir vielfältig, geil, aber nicht bei der ProvinzPostille.
Also machte sich der kleine Punker auf die Suche; und ich musste gar nicht lange suchen. Nein, es war auch kein: ich habe es ausgesprochen und als nächstes bekomme ich in meiner Smartphoneapp Kaufvorschläge. Ich stolper also so rum und falle fast, taumle, kann mich aber vor Begeisterung schnell wieder fangen über das Label Frischluft Tonträger.
Aus dem Bauch der Freude heraus schreibe ich und Krischan, der Labelmacher und Mastermind hinter all dem, was dort zu finden ist, antwortet recht schnell.
Ich stelle fest: das ist ein komplett irrer Typ! Er hat über 30.000 Tonträger zuhause, die meisten sind Singles. Und diese nur anzuhören ist wohl zu wenig. Da muss, darf, also ein kreativer Output her. Und das macht Krischan mit Frischluft Tonträger nun schon über 30 Jahre. Bei Discogs finde ich den ersten Tonträger von 1987 “die Honigritter”.
Bisher knapp 20 Veröffentlichungen, wunderbares Artwork, alles sehr liebevoll gestaltet, mal als 7inch, mal 10inch, Flexi-Disc oder auch als Langspielplatte. So wie mir hier nun eine aktuellere vorliegt.

Die Schornsteinfeger – Nachts im Trümmerviertel, veröffentlicht Dez. 2022; darum soll es hier nun also gehen.

Es ist keine selbstgemachte Schlagermusik. Also nur teilweise selbstgemacht, aber auch nicht. Vor allem im Sinne von “selbstgemacht” meine ich: da hat jemand zuhause viele tausend Platten und Krischan nimmt sie und mischt. Easy Listening-Schlager und Edgar Wallace-Jazz. Das wird neu zusammengwürfelt zu, ja, Popmusik, die den Klangteppich bildet. Darüber liegt immer mehrstimmiger Gesang mit recht witzigen Texten.
Auch nach dem dritten, vierten Reinhören kann ich immer noch nicht sagen, ob es da irgendeinen Bogen gibt. Ein wenig hilft mir das “Begleitdokument” zu diesem Release.
Krischan ist es sehr wichtig festzustellen, das “Nachts im Trümmerviertel” keineswegs zynisch sein soll, dennoch Angesichts des Krieges in Europa, es für den ein oder anderen so erscheinen mag.
Es gaht auf dieser Platte um die Wirtschaftswunderjahre der jungen BRD und soll gleichzeitig eine Allegorie sein auf das Überwinden einer Krise. Das zentrale Motiv ist Hoffnung.

Die Texte passen jeweils immer zur Stimmung der Musik. Wenn es mal etwas flotter, swingig ist, “unterwegs mit dem Fuldamobil” ist es lebendig und witzig.
Jedenfalls ist es nie erwartbare Musik. Es gibt keinen Bogen der zu einem Schunkel-Refrain und alle singen mit führt sondern es kommt ein spannender Übergang, ein Pling, ein Swing, ein kleines Musikschnipselchen welches plötzlich für Spannung sorgt.
Und das alles durchaus gefällig für die Ohren!
Es könnte auch klasse Filmmusik sein!
“eine Tür, die da vorher nicht war” “Träume hinterm Schwalbenloch” “Glückwunsch lieber Radiergummi” “so tanzt man in der Hammondbar” – ihr könnt die K-Tel Scheiben eurer Eltern wirklich wegschmeißen. Unbedingt, die will keiner mehr. Geht mit der Zeit und lasst euch entführen. Ich fands (und finde es noch) mega, mich mal für eine halbe Stunde wegziehen zu lassen.
Die Songs sind übrigens alle sehr kurzweilig. Ich würde sagen so zwischen einer Minute bis maximal zweieinhalb.
Ich feier das hier schon ab, weil es in meiner Welt eine anarchistische Vorgehensweise ist, diese musikalische Welt einmal auf den Kopf zu stellen und umzukrempeln.

Somit hat der kleine Punker im großen Internet etwas überm Tellerrand gefunden, was ihn ausgebremst hat, darüber hinaus zu fallen.

Interview mit Krischan, der das Ganze im Alleingang betreibt.
Cloudberry Cake
Und noch ein wenig Musik:

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LP: how i left – birds in the city

Der süddeutschen Provinz entsprungenes Duo mit Julian Bätz (Gesang, Gitarre, Klavier, Orgel) und Jazzdrummer Michy Muuf.
Und ich schrieb sie wieder an, weil mir erstmal dieser schöne Bandname im Gedächtnis geblieben ist, zum andern mir gleich die CD von vor… zig Jahren rauskramte, als ich sie auf irgendeinem kleinen, Tattoo- Burgerevent- Ding live sah. Es regnete leicht, es war Sommer, die Musik sowas von passend.
How I Left waren damals schon, ach “sniffing Glue with Frank Sinatra” hieß das gute Stück, mit dieser, ja ich muss es sagen, bezaubernden Leichtigkeit gesegnet. Ich schrieb 2016 einen Review dazu.
Soviel zum Vorgeplänkel. Nun, die beiden, die als Duo in Erscheinung treten, allerdings schon auch mit Bassist live unterwegs sind, haben sich also Zeit gelassen, Songs zu schreiben, ein Label zu finden und uns das dann in Gänze zu präsentieren.
Ein erstes musikalisches Winken kam mit “continental”

Eine Americana-geprägte Mischung aus lässigem Slackerfolk und eingängigem Indie-Pop. Oder in meinen Worten: mich erinnert das an erste Experimente aus dem Hause Notwist, als sie noch in den 90ern auf dem Label Hausmusik Bands wie Village of Savoonga veröffentlichten. Vermutlich haben How I Left auch gar nicht wirklich etwas damit zu tun. Die meisten schreiben, dass man sich an Weakterthans, Wilco oder Ben Kweller erinnert, wenn man der Band lauscht.

Nun, was machen sie denn dann für mich so interessant?
Weil sie live etwas roher klingen. Weil sie einen gewissen Punkspirit nicht wegleugnen können; obwohl sie heute halt eben komplett andere Musik machen.
Hier nochmal das gleiche Stück bei der Melting Butter Livesession.

Man spürt es manchmal in den Drums, manchmal in den Drei-Akkord-Folgen, dass da etwas schlummert. Auch schlummern darf. Die Geschichten, die Julian Bätz, Gitarrist und Sänger, erzählt, eignen sich in diesem musikalischen Kontext doch am besten. Hervortreten dafür gefühlvoll raue Indie-Pop-Perlen. Manchmal träumt man sich auf Sommerwiesen, mal entfleucht man elfengleich in den nahegelegenen Wald um in Baumwipfeln zu schunkeln.
Ich hoffe, ihr versteht, was ich meine.
Den Sound haben sie sich von Christian Bethge verpassen lassen (zB. auch Gewalt, Messer).
Orangefarbenes Vinyl.( in diesem Fall), erschienen bei This Charming Man. Dort gab es auch eine transparente Version.

(Dieses Review erscheint ähnlich noch beim Vinyl-Keks)