7inch: Lügen vs Rosa Blaulicht

Das witzige an Singles, oder auch 7inches, ist ja, dass man die meist irgendwo mitbestellt, um fein überrascht zu werden.
Klar, dass ich das mit der Split Single von LÜGEN und ROSA BLAULICHT auch erleben darf.
Ich höre, damit ich auch garantiert überrascht werde, erst ihre Seite an.
George und Schorsch teilen mir (auch dir, sofern du sie dir mal reinziehen magst) ziemlich schnell und unmissverstädnlich mit, dass sie ziemlich pissed sind. Musikalisch eingehämmert per Drumcomputer, Orgel und sozialkritischen Texten.
Der erste Song „krank“ ist echt angepisst und schlecht gelaunt, das einzig erhellende an dem Ding ist, die kleine Orgelmelodie. Der Text besteht aus kurzen Textfetzen

BWL-Finanzberatender-Businessplaner, Körper genommen Kopf entleert, freie Entfaltung – neue Ideen unterm trendy Öko-Mantel, Nestlé hat viele Namen, …

einfach treffend!
Der zweite Song heisst „scheiße“. Diese könnte man aber auch in wohlfeilen Worten kredenzen. Mal hören:
es geht wohl ums Herumlaufen in dieser abgefuckten Welt voller bescheuerter Menschen. Zwischen den Klischeebilder von Cis-Männern und dem täglichen Weg durch die öffentlichen Verkehrsmittel endet mit dem Fazit

schon meine Mutter hat gesagt, wenn du groß bist, kannst du alles sein und ich wollt am liebsten immer Asi sein.

Auf die Ohren von Rosa Blaulicht: (umgehauen hat mich das nun nicht.)

Band kommt aus Hannover.

Volle Solidarität zu Punk too und dem Thematisieren und Aufbrechen männlich dominierter Realitäten/Bünde in der szene und überall. fight patriarchy – now and ever.

LÜGEN höre ich quasi vom ersten Release an. Eine sperrige, nicht einfach zu konsumierende Band. Lügen macht sowas wie Jensen macht, nur nicht so nett. Sängerin Sabrina hat einiges zu sagen und wenig Geschichten zu erzählen. Die Texte muss man schon mehrmals anhören, und haben nicht zwangsläufig einen Rhythmus, in den man sofort einsteigen kann.
Drei neue Songs sind auf der 7inch. Die ist ja schon ne Weile raus und ich hab sie auch schon zwei bis fünf Mal gehört. Was euch als Ausrede einfällt, weswegen ich den Review erst jetzt schreibe, dürft ihr hier eintragen __________.
Sie ist bereits 2021 erschienen, so ziemlich einem Jahr.
Sabrina textet und sing immer noch gegen den Strich, respektive Takt, und trotzdem, oder gerade deswegen, ist es nicht unharmonisch! Eher sehr außergewöhnlich.
Erinnert mich musikalisch ein wenig an Going Away Party.
„wie ich meine Jugend an die Idioten verlor“ und „Pauls Penis“ sind weiterhin sehr kritisch, haben aber, so hört es sich für mich jedenfalls an, etwas mehr Ironie.
Im ersten Song geht es darum, wie man in seiner Jugend seine Sexualität „findet“, und das Thema Sexualität zieht sich ja auch noch in „Pauls Penis“ weiter. Aus der Sicht eines Mannes wird erzählt, wie man gegen das Patriarchat sein kann und es zerstören kann. Klingt komisch…

aber mit meinem Schwanz und dir, werde ich das Patriarchat zerstören

Im letzten Stück geht es darum, dass „Pommes oke sind, Kartoffeln aber böse“ und das man das ordentlich mitsingen muss, was Lügen einige Male vorsingen, damit man sich das ordentlich einprägen kann!
Gesangliche Begleitung gibt es bei „Pauls Penis“ von Thomas von Kackschlacht. Beim „Pommessong“ gibt es Synthiesounds von Turbo, der bei Rosa Blaulicht orgelt. Da hab ich doch vorhin… ja, ich drehe die 7inch nochmal um, das steht „George und Schorsch“, nicht Turbo. Hm. interessant. Die Postille bittet um Aufklärung! Man verscht mich also hinters Blau-Licht zu führen.
Cooler Release insgesamt, eine Seite funktioniert nicht ohne die andere!
Sehr cooles, simples Cover mit den Buchstaben! Texteinleger, die 7inch in …. rosa und blau.

Gibts auf jeden Fall noch beim Grandioso Versand oder bei Conraszt Records.

Auf die Ohren von Lügen:

fanzine: Brot #7

Die Taktung und die Grafik dieses hervorragenden und informaativen Zines aus Hamburg ist schon quasi Gewohnheit geworden.
Wie können die Macher Yannig und Thommy da noch was drauf legen?
Durch die Rezension zweier Ausgaben der ProvinzPostille (#7 & 8 – Danke für die Blumen!) oder durch „hervorragende Gastartikel“ wie sie auf der Titelseite mit den Insekten beworben werden?
Gar nicht. Ist alles super so!
Obwohl, der Gastartikel n Jan (Proud to be Punk Fanzine) über „150. Jahrestag der Pariser Kommune“ ist schon ziemlich super.
Beste Punksongs über Tiere beschert euch ganz sicher eine neue Playlist, ebenso wie der tolle Artikel über „black an PoC Punk History“.
Durchweg super. Es gibt auf 130 Seiten noch sehr sehr viel nehr zu lesen.
Wo bekommt ihr das?
Zum Beispiel beim No Spirit Mailorder.

fanzine: Ostsaarzorn / Ostsaarzores „punk & jewishness“

Na das ist doch mal ne Idee: eine Sonderausgabe machen, nachdem es erst eine zweite Ausgabe gab.
Thema: „Punk & Jewishness“.
Mit dem Untertitel „Fachjpournal für Punk“.
Alter, haben sich da so n paar oberkluge Studententypen in die Szene verlaufen und machen jetzt auf… ach, komm, wir wollen doch hier keine alten Klischeebilder mehr bedienen! Die Tendenz geht aber ganz klar eher zum verblichenen Testcard, als zu einem A5er-Punkfanzine.
Die Szene öffnet sich gerade sehr der FLINTA-Bewegung, oder sie uns, offen zu sein für viele und Vieles ist etwas, was ich an Punk schon lange schätze. Ebenso die gnadenlose Einschätzung.
Im Vorwort heisst es „wir agierne hier in Widersprüchen, wandekn uaf schmalen Graten und müssen versuchen, uns nicht vollends im metaphorischen Dickicht zu verheddern.“
Unterstützt wurde das Redaktionskollektiv von der Rosa Luxemburg Stiftung Rheinland-Pfalz und der Inititative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung an der Karl-Marx-Universität in Mainz.
Ich könnte jetzt sätzeweise so weitermachen. „Das jüdische Moment im Punk“ dreht sich um die bspw. jüdischen Wurzeln des Punk in New York. Da sind ja vor allem die Ramones zu nennen, und in meiner Welt auch die Wurzeln der Beastie Boys, Treffpunkt CBGB’s. Es geht um die „Überlegungen zur Bedeutung von Punk als Widerstandspraxis für Jüdinnen:Juden in Deutschland“.
Da sind Trosun von Egotronic und Björn Peng zu nennen.
Und ehe der Review hier nun komplett ausufert, da die zusammengestellten Informationen ganz klasse „aufberietet“ sind; so sagt man doch unter studierten, nicht?
Ist noch ein Artikel, der mich sofort gereizt hat, in das auf knapp 100 Seiten starke Zine reinzulesen und mich festzufressen, nämlich „(un)einduetige Anknüpfungspunkte für Antisemitismus und Thematisierung der Shoah im Deutschpunk“.
Klar, ihr denkt jetzt, wo sind all die kleinen Beispiele aus den Artikeln, die mich neugierig machen sollen, welche Bands werden genannt, welche Songs zitiert.

holt euch das Ding selbst 😉 
Ich habs über den Ostsaarzorn Insta-Account direkt bestellt. gibt es aber auch per Emehl.
Spitzending. Freu mich auf das nächste „Heft“.

video: SENOR KAROSHI – unter null session

Total tolles Lebenszeichen von der Band, die ihren Drummer verlor, aber nicht ihre Hoffnung für ihre Musik. Soweit kann man das von außen überblicken.
Neuer Drummer, kein Bass mehr, dafür Synthie, nur der Gitarrist Pal ist geblieben, was er ist. Auch leiht er dem Trio seine markante Stimme die jede Menge ausgeklügelter Reime voller Hintersinn ins Mikro spricht.
Hier also die ersten paar Songs, auch alte, ein neuer ist dabei „der Journalist“, das geht doch richtig tanzbar ins linke und ins rechte Bein.