LP: moratory – holiday in israhell

Wahnsinn, wie die Zeit immer durchrauscht.
Moratory habe ich im Interview in Ausgabe 12. Was sich ziemlich kurzfristig und Anfang des Jahres ergab.
Durch Labelmacher Jörg, den ich auf dem Plattenschau-Podcast Event im Juha West in Stuttgart getroffen hatte.
Running Out Of Tape Records veröffentlicht auch Vinyl.

In diesem Fall die Russisch-Israelische Band Moratory.
Thrashmetal. Der, glücklicherweise, nicht zu prollig und breitbeinig daherkommt, oder 1237671 Noten in den Solis runterquengelt.
Geradeaus, nach vorne gespielt. Aufgenommen in der Zeit der ersten Kämpfe in Gaza, als Israel mit Bomben auf den Terroranschlag der Hamas reagierte.
Ob das nun ein politisches Album geworden ist? Ja.
Allerdings auch durch ihre eigene Fluchtgeschichte, denn die Band ist aus Russland ausgewandert, um in (und deswegen der Titel) Israhell unterzukommen.

Gleich der erste Song „doomsday“ drückt die Eindrücke bildlich aus.

Here the cities on fire
Innocent people are crying
We are all going to hell
The world fell
WE TOLL THE BELL!
For doomsday

Die Produktion ist DIY, man spürt dadurch aber auch an jedem Ton, dass Moratory hart angepisst sind.
Ein bisschen Blast-Beats, mit Becken gesmashte Prügelparts.
Der zweite Track dreht sich dann um die Zurückgelassenen in Russland.
„Поколение Рабов“, was soviel heißt wie „generation of slaves“.

Insgesamt empfinde ich schon, dass die Band das Rad nicht neu erfindet aber wirklich erfrischend hart aufspielt. Crust und D-Beat werden super in „klassischen“ Thrash-Metal eingebunden. Und immer schön das Gaspedal durchgetreten

Running Out Of Tape Records. Shop ist hier.

MC: prunk nelke – trauerspiel session

Oi. Was so einen Titel hat…

Nein, so ist es nicht. Prunknelke, ich habe noch nie ein PromoTape zugeschickt bekommen, haben keine Kosten & Mühen gescheut, mir ihr Werk ins Tapedeck zu hieven.
Ich bekam auch rechtzeitig zum oder gar vor dem Release am 07.03.2025, das fertige Tape zugeschickt. Danke!
Sie sind, wegen ihrer ausgefallen, abgefahrenen Mucke auch auf dem aktuellen Postillen-Sampler gelandet.

Prunknelke kommen aus Graz und machen irgendwie ziemlich noisigen Hardcore. Post-Hardcore, vielleicht auch Screamo. Das ist aber nicht so abgenudelt und abgekupfert. Dafür ist es aber auch ein bisschen anstrengend, manchmal. 90er Jahre Screamo (als man das so noch nicht nannte), Hardcore, mit ein paar Neuzeit Riffs, im Sinne von Skramz, ein bisschen Geballer. Ein guter Schuß Punk steckt da drin. Die Bassistin kreischt mehr und der Gitarrist brüllt und singt mehr.
Die Texte sind nicht sooo gut verständlich, doch die Emotion kommt gut rüber. Zwischen manisch treibenden Drumparts und Punkrockriffs passt immer mal ein plötzlicher Ausbruch an Disharmonie.
Allerdings sollte man sich schon Zeit nehmen und Prunknelke zwei, drei mal hören! Nicht alle Takt sind gerade, nicht alles ist eben eingängig.

Sie überraschen mich mit ihrer ungestümen Art. 12 Songs, von denen drei in Klammern gesetzt wurden. Und beginnt mit dem saucoolen Titel „riesen aus rauch“. Sie haben sehr gute Titel.
Prunknelke mit „trauerspiel session“

Erschienen bei Grazil Records und auch dort zu haben.

LP: in gaffa – dunkel, oh ha

Psychedelischer Trip durchs Kinderzimmer gefällig?
„dunke, oh ha“ von in gaffa ist sowas… in der Art. Oder auch anders.
Ich wurde dasgen, ich hab alles erzählt, außer: dem coolen Artwork. Ein ebenso psychedelischer Trip mit Schlafmohn, Nintendo Konsole Nummero eins. Der Hubschrauber… wie hieß der noch aus der Serie „vier fäuste mit einem nerd“ oder so. (ja, ich habs dann gefunden) und „screaming mimi“ heißt der scheiß hubschrauber.
Hat ja aber nix mit der Musik hier zu tun. in gaffa, bzw. Tobias, der das Artwork gestaltet hat, bedient sich noch aus Star Trek, Elfencorpsepaint-Mädchen, welches ein Baby füttert.

Die erste Seite hat nur vier Songs, dafür intensiv, treffsichere Beats, bisschen Krach, am Ende la-lalala-la-la – ich liege auf dem Rücken meiner Deck und schaue mit verdrehten Augen auf die schlingernde Platte.
Hab ich den letzten Output irgendwie nicht angehört?
Wieso ist dieser famos großartige Noiserock nicht hängen geblieben?
Startet mit dem Orchesterstimmen „you’ve got the spirit – we’ve got the hooks“ und zerlegen sich gleich in der ersten Sekunde selbst.
Das wird noch schon harmonisch. Der Bass donnert die Melodie, die Gitarre ergänzt sie zärtlich.
Dann folgt:

Ein halbtonintensiver Hit in dem Mister Spok auf jeden Fall eine Runde mitsingt. Bevor dann der Chor vom Planeten Ogo im Raumschiff heranreist und das Orchester komplettiert.

Seite zwei mit dem Starter „why so unkind“ ist fast ein Pophit. In Gaffa verstehen es sehr sehr gut, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und genau deswegen diesen Genremix auf einen Noise-Nenner zu bringen.
Verzichtet auf die totale Vertracktheit des Noise und liebt den phantasievollen Einsatz des Korg. Der Gesang nicht vieler Worte verlegen sondern ein Instrument, welches eingesetzt wird, den Minimalismus zu maximieren. Geil.

Ich mag Mörtel Sounds für seine irren Releases, doch dieser toppt es echt.

LP: disgusting news – symptoms

Direkt zu Beginn des Jahres 2025 gibt es Hardcorepunk von den Disgusting News auf die Ohren.

Irgendwie drückt die Band bei mir nen Reset-Button mit ihrem dritten Album. Im Vergleich zu den Vorgänger-Alben. Ich hatte beide schon auf dem Plattenteller und ich könnte schwören, es gibt krasse Weiterentwicklungen. Oder doch nicht?
Mal so rum: sie machen von der ersten Probe an Hardcore-Punk.
Die beiden ersten Scheiben „fressfeind“ und „family traumata“ hatten thematisch eine Richtung, die in den Lyrics einer Linie treu blieb.
Beim Titel „symptoms“ könnte man das schon auch denken, aber Symptome kann man ja in Krankheiten wie auch in gesellschaftlichen Dingen feststellen und benennen.

Die ersten vier Songs „wreck, sad boys, lost in a loop und talk of devation“ sind ziemlich krass gut gespielte Kracher. Der Bass dengelt ordentlich, richtig guter Sound.
„people pleaser und strassen“ (was der erste Song in deutscher Sprache ist) erinnert mich ein wenig an Dead Years und weht eine neue Farbe in die robuste Klanglandschaft. Wobei sie auf den ganzen Hall verzichten.
Erste Seite ist total rasant, gut durchgelaufen.
Ich wäre ja dann doch auch manchmal glücklich, wenn es einen Hinweis gäbe, ob es 33rpm oder 45 sind, hehe!

Zweite Seite beginnt wie die erste. Sie „funktioniert“ nicht ganz so. Es wird jetzt knallhart durchgezogen, was vorher noch aufgebrochen wurde. „allein“ ist ein bemerkenswert starker Song.
Das letzte Stück „bitter“ ist ein sehr starker Ausgang für eine LP wie die von Disgusting News. Ein Mann nutzt ein Mädchen aus, nutzt ihre jugendliche Liebe aus. Machtmissbrauch.
Thematisch also breiter aufgestellt, dafür der Sound kompromissloser. Die Sängerin Vanessa brüllt nicht mehr „einfach“ nur sondern gibt den Songs Facetten, die dem Gesamtlärm echt gut tun!

Cover ist ein Gatefold mit allen Texten. 12 Songs. File under „feministischer Hardcore-Punk“. Eingängig. Geil. Kickt wie Hölle.

Platte gibt es entweder direkt beim Label Bakraufarfita Records, oder bei eurem Mailorder!

 

Dieser Review erscheint relativ zeitgleich beim Vinyl-Keks

video: phileas fogg – kometengift

Es ist morgen und ein Video platzt hier rein.
„kometengift“ von Phileas Fogg.

In den besten musikalischen Momenten ist die Kraftwerk-Referenz wohl unüberhörbar.
Letzte Woche traf ich Kalle Stille auf einem Konzert in Stuttgart und er war so voll des Lobes und sprach von Rheingold. Ja, auch eine sehr gute Refernenz für den veränderten Sound von Phileas Fogg.

Vor drei Wochen war es „küssen“, welches mich ob der KI ein wenig verstörte aber inhaltlich sehr gut gemacht ist.

Der erste Clip besticht durch seine fantastische Basslinie, die unaufhörlich laufen konnte, Endlosband. Poetisch.

Fest steht, dass die 10 Songs, die ich mir gleich am Stück reinziehen werde, heute als LP und digital rausgekommen sind.
Ich freue mich, die Bande am Sonntag auf dem EA80 Konzert in Karlsruhe zu treffen…. und als ob das irgendwie Magie wäre, ist es ziemlich genau 6 Jahre her, ihr letztes Album und unser zufälliges Treffen bei EA80 in Esslingen.

Leider verpasse ich ihr Releasekonzert, denn ich spiele selbst.
05.04. diakonissenbunker in der rosenbergstrasse 23 in stuttgart