Veröffentlicht am Schreib einen Kommentar

MC: 5 farben scheisse – dualität des grauens

Eine verstimmte Gitarre lächelt mich an, ein infantiler Text über “hitlers stuhltagebücher” und ich nehm mir gleich eine ganz “große” Band vor Die Ärzte.
Und das noch beovro ich die Band auf dem Band genannt habe: 5 Farben Scheisse.
Der Sound ist zwar ein klein wenig räudiger, doch erinnert mich das Oevre dieser Band an die Scheiben “die Ärzte früher” und “ab 18”. Eine Mischung daraus ergibt die erste Seite der Kassette namens “Sommerhits für den Nuklearen Winter”.
Fazit: 5 Farben Scheisse machen alles falsch. Im 21. Jahrhundert komplett schlimm infantile Texte, diese auch noch mit Vorurteilen gespickt.
“rehafall” ist dem letzten Drummer gewidmet und seiner momentanen Situation in der Reha. Was er haben könnte, verstehe ich leider nicht. Die Seite endet mit der Ballade um den “säufer”.

Ihr merkt sicher schon: bei mir hat die Seite A einen anderen Titel. Irgendwie wurde das auf der Kassette, dem Cover, vertauscht.
Es folgt “Klangbeispiele für Gehörlose”.
Diesmal vier Songs in acht Minuten. Weniger Indie-Geklampfe, mehr räudiger Deutschpunk.
“meine Leber”, “szenepolizei”, “sommermärchen” und “blümchensex” sind so klar definierte Titel, da ist genau das drin, was angekündigt wird.

Zum Abschluss: ich wurde bei Facebook angeschrieben, man habe eine Überraschung für mich. Nun, die ist gelungen!
Ich fürchtete, bei dem Spltter-Deathmetal-Cover, dass mir da komplettes Geballer entgegen dröhnt so mit Gegrunze, Doublebase und Metalgitarren. Aber aux contraire: schon lang nicht mehr derart infantilen Funpunk gehört. Zwischen Teenie- Humor und politischem Bierhumor, alles völlig berechtigt.
Leider sind nicht alle Texte verständlich, außer dem letzten.

Hui, wie soll ich sagen: die Herren hatten wohl jede Menge Spaß daran. “es kommt ausm Bauch wie Kacke” (Knossi).
Es finden sich ganz sicher Zuhörer. Zu haben bei der Band (-camp) oder beim Label Running Out Of Tape Records.

Veröffentlicht am Schreib einen Kommentar

LP: anna absolut – ultramarin

Wenn es eine Band gibt, die musikalisch komplett was drauf hat und sich wahnsinnig weiterentwickelt hat, dann ist es Anna Absolut aus Graz in Österreich. Wenn es eine Band gibt, die textlich sowas von irrwitzige Ideen hat, bei denen es, zumindest mir, einem die Fragezeichen in die Falten auf der Stirn wirft, dann ist es Anna Absolut.
Sie haben echt ein Händchen für “badab dab dab vow” (Schwestern im Geiste) und andere Spielereien.
Wenn es um Inhalt geht und eine Aussage, dann haben sie schon ein klare Kante gegen Rechts “Kanonen & Violinen”. In meinen Ohren ist die Musik der Band richtig gut gereift, sie haben ausgefallenen Ideen und spielen das einfach so weg; alles gehört zusammen. Eine wilde, runde Mixtur, aus Turbostaat-Melancholie, Punkrock, Post-Rock und leicht windschiefem Gesang.
Und dann stolper ich über die “
Eine sehr schön getexte Erinnerung an einen Kämpfer gegen den Nationalsozialismus namens Karl Drews; und alle andern, die als Pflastersteine in einer Stadt verewigt wurden.
Danach wird wieder aufgedreht mit “Mythos Scholmer”. Ein Text, den ich so gar nicht verstehe. Ist das so ein Die Ärzte-Gedenkstück à la “bitte, bitte” oder erntsgemeint auf eine lebende Person, die ich in meiner Schnellrecherche nicht gefunden habe.
Mit “Adrenochrom” und der Videoauskopplung “Liebe kann man so nicht schreiben” machen sie wieder alles super. Klasse getextet und musikalisch eine gute Mischung aus emotionalem Indie-Geschrammel. “Liebe kann man so nicht schreiben” dreht sich um toxische Beziehungen.

Sie brechen die beiden ernsteren Themen dann mit dem flotten “Tanzen geh’n” auf; um als Abschlussnummer “denk nicht mehr daran” wieder dafür zu sorgen, dass ich diese Sorte Humor so gar nicht verstehen kann. Vielleicht kommen Anna Absolut aus einer anderen musikalischen Galaxie, oder sie sind einfach hundert Jahre jünger als wie ich 😉
Sie selbst schreiben “
Inmitten von Punk und Indie. Lebensbejahend, sozialkritisch, mit Augenzwinkern.”
Ihr bekommt die Platte über diesen LinkTree.
In wunderschönen Farben Cover und Vinyl. Mit Textinlay, leider kein DL-Code

Veröffentlicht am Schreib einen Kommentar

LP: grow grow – lichterloh

ein wunderschönes cover, elegische, nahezu endlose IndiePunk-Songs: Grow Grow. Neue Platte “lichterloh”.
Kennt ihr diesen Moment, in dem ihr aus Neugierde auf irgendeine Random-Band clickt und nach 1,5 Sekunden denkt “was passiert denn da, ist das total geil?”. Und innerhalb kürzester Zeit auf den Bestellbutton drückt, ein paar Tage wartet, dann das Paket voller Vorfreude aufmacht, die Platte auf den Teller schmeißt und euer Gehör neues Futter bekommt!
Es passiert dann genau das, was du erwartet hast, obwohl du nur 4,8 Sekunden Musik anhörtest!
So war das bei Grow Grow, fast. Die Band hat mir freundlicherweise ihr aktuelles Album zum rezensieren zugeschickt.
Der erste und lder letzte Teil der Geschichte stimmt aber 😉 !
Jedenfalls hat die Berliner Band in Eigenregie bereits seit 2012 fünf Tonträger veröffentlicht. Anfangs noch eine CD, dann eine 10Inch mit dem schönen Titel “Hamsterrad of Glory”. Das neue Album nun heißt, wie schon erwähnt “lichterloh”. Es strahlt in Hochglanzweiß mit einem schlichten Segelboot, gebaut aus Treibholz, darauf.

Genug gejubelt, es ist jetzt nicht so, als ob Grow Grow das musikalische Rad neu erfinden; wer kann das heute noch?
Ich bin einfach total happy, weil ich nen Glücktreffer gelandet habe.
Mich erinnert das sofort an Maulgruppe beispielsweise, wobei die Band hier viel mehr Krach und Screamo-Anleihen hat. Nicht ganz so ruhig und abgeklärt ist.
Es startet alles mit einem superspannenden Tapping, irgendwie kommt es einem bekannt vor, doch dann bricht sich der Song entzwei. “rattenfang” entschließt sich schnell aus einem freundlichem Intro in ein wütendendes, sehr deutliches Statement gegen Rechte Ideologie gegen den Wind zu segeln. Schon eine Weile nicht mehr einen so unplakativen, deutlichen Text gelesen.

Gegen Empathie versichert, gegen Logik resistent
Tradierte Privilegien unter Exklusivität
Gewalt ist institutionell – Hierarchien zementiert
Der Jäger erbt den Jagdschein, gejagt wirst du geboren
In fremdem Namen – auf Geheiß
Im Sternzeichen des Zahnrads – Aszendent Werkzeug
Ich verachte euch aus Notwehr, Rattenfang
Ein feierlicher Schwur auf die Idiokratie
Gehorsam überzüchtet, Moral wird amputiert
Alles Gute kommt von oben – Verfluchter Weise wird die Luft unten dünn
Zum Jubiläum gibt’s Pralinen, exekutiert wird im Akkord

Ich fürchte der Rest des Reviews von Grow Grow wird recht kurz sein: die Band hat mich. Was soll ich jetzt jeden einzelnen Track über den Klee loben?

Kein Song unter vier Minuten. Aus ein wenig Recherche ziehe ich, dass die Band mal zu viert war, sich nun geschrumpft hat auf ein Trio. Weniger Lärm machen sie deswegen nicht!
Ihre Spielerfahrung merkt man, durch den Indie-Einschlag kommt eine Stimmung auf, die mich eher an Hamburg als an Berlin erinnert. Wobei der Melancholie-Dampfer ja schon lange in ganz Deutschland unterwegs ist.
Wenn ein Gitarrenriff eigentlich auserzählt ist, setzt Grow Grow noch eins drauf, fügt noch etwas an, schrabbelt das nochmal anders, wechselt, verändert leicht den Beat.
Die Texte, allesamt Gedichte, betörend, melancholisch, erzählend, erfrischend, vom Gestern im Heute.
Für ein Trio also Maximalmusikammentierung (Achtung: neue Wortschöpfung)
Echt cooler Stuff. Kommt mal in den Süden (Zitat crossedletters: “Wir brauchen keine Bands aus Übersee, die für drei käsige Shows einen klimaschädlichen Atlantikflug verbraten.”) Ihr habt ne Mail von mir!

Platte(n) gibts bei Bandcamp, diese in 180gramm Vinyl oder in Weiß mit Splattern. DIY.