review: Herr Paulsen und das Zeitproblem – aufgewacht, verlaufen (revisited) LP

Herr Paulsen und das Zeitproblem, hier nochmal die LP „aufgewacht verlaufen“.
Ich nehm einfach zum Anlass, dass wir in einer echt seltsamen Phase stecken, so zwischenmenschlich, bin aufgewacht und habe mich in éinem Gedanken verlaufen. Seit letztem Sommer, Aufgrund Corona, herrschen Schwierigkeiten beim Proben, beim Aufnehmen, Verzögerungen beim Bestellen und Liefern.
Erfindet selber Gründe! Jedenfalls ist mein Gedanke: seit einem Jahr gibt es  keine Musik mehr. Nichts erschienen, keine neuen Platten, man hört nur noch das alte Zeug; wird auch nichts mehr kommen.
Philipp ist der Gitarrist der Band, ein alter Kumpel von mir, spielte mit mir mal bei pADDELNoHNEkANU und gründete mit unserem Trommler die Band „Herr Paulsen und das Zeitproblem“. Sie brachten ein rotziges und wütendes Demo heraus mit dem Artworker, der auch das Anatol Cover „rette sich, wer darf“ gemalt hatte. 
Wir versuchen, wie viele, irgendwie Kontakt zu halten, was uns ohnehin etwas schwer fällt, leider, sorry. Es st dann aber immer mal schön, die quasi Compilation CD mit dem Demo und der letzten Scheibe, um die es hier eigentlich ja geht, in den Player im Auto zu schieben.
Ein weiteres Review der selben Platte, so was hat wohl noch nicht gegeben, jedenfalls nicht nach knappen zwei Jahren. Wohl eher beim Rerelease oder 20 Jahre-Jubilat.
Mir fällt nach einer so langen Pause des Nicht-Hörens auf, wie wahnsinnig abwechslungsreich Herr Paulsen und das Zeitproblem zur ersten Platte geworden sind. Musikalisch wie auch Textlich immer noch Dinge ausprobiert werden und man als Band die sich nun dann auch schon ein paar Jahre kennt, zusammen spielt, immer wieder auf der Suche ist nach etwas Neuem.

Bei diesem Gedanken fällt mir dann auf, wie schmerzlich ich Philip’s Ideenreichtum bei pADDELNoHNEkANU vermisse. Dieses „nicht machen, was andere machen“ und auch nicht dem Songwriting folgen, was irgendwer für richtig und „gut hörbar“ empfindet. Sondern sich von den Gefühlen und den (manchmal) spontanen Ausbrüchen im Proberaum hingibt; um dann in der dritten Version an dieser vermalledeiten Idee zu verzweifeln. Augenzwinker.
Das man ein viel zu langes Intro spielt, dass man eine kindische Freude daran hat ein bisschen holprig zu sein. Was sogar ein bisschen überfordert anhören könnte; für einen selbst UND die anderen. Und das ein Ziel da sein könnte, man aber gar nicht so richtig dort ankommen kann, weil man über den Drei-Akkorde- Tellerrand hinausblickt, am Horizont nach neuen Möglichkeiten, neuen Chancen sucht.
Sie schwelgen zwischen der frühen Angepisstheit, als die Band noch in Baden-Baden ansässig war und der Ruhe und Klarheit, die ein bisschen klingt wie Muff Potter oder Schelm, Indie angehauchter Punkrock. Songs, die vor Urzeiten gespielt wurden und jetzt im neuen Gewand auftauchen. Ersteinmal befremdlich für mich, der die Urversion schon vor Jahren abfeierte. Darf man das als Band machen?
Naja, wenn man es so sieht, dass Philip eine neue Band mit Martin, Clemens und Steven gegründet hat. Die fanden den Bandnamen total geil, also warum nicht? Fällt doch in quasi den selben Gedanken wie: diesen Song spielen wir nochmal, aber anders. Wie hier mit „Myosotis“ geschehen, den Tom von Freiburg / Auszenseiter gesanglich seine Note geben durfte.
Ich hatte mich das tatsächlich schon öfter mal in meiner Zeit als Musiker gefragt, wieso man ein neues Intro schreiben kann, warum den Song nicht verändern, schneller oder langsamer oder wütender spielen? Warum nicht dann auch noch mal Aufnehmen? Euch werden sicher einige Beispiele einfallen von Bands, die das schon gemacht haben. Ist ja sicher keine neue Idee!
Ich habe gerade einfach extrem Spaß daran, euch meine Empfindungen, Erinnerungen und Gedanken mitzuteilen, die mir beim hören dieser tollen Platte durch den Kopf gehen.
Auf Seite B gibt es bei „überholt“ wieder ein superlanges Intro. Geil.
Und an solchen Stellen maulen einige Schreiberlinge, Kollegen und Kolleginnen am erwähnten Songwriting rum oder merken auf, dass das ja kein Punk sei. Hierzu folgende Bemerkung: lest Verrisse nicht. Die wenigsten sind so gut geschrieben, dass man als Leser*in versteht, warum die Platte missfällt. Es ist meistens schon eine verfi**te Zeitverschwendung, sie zu schreiben (und gar abzudrucken). Dann lieber nix.
Vielen Dank fürs Lesen! Zieht euch Herr Paulsen & das Zeitproblem rein. Herzpunk. Von Herzen Punk. Die haben sicher noch ein paar Scheiben. Ich hab noch ein paar Platten im Bauchladen. Elfenart. Weißes Vinyl, Texteinleger, DL-Code und ein paar Sticker.

review: CeDe Salat Schüssel #2 – Antischall / Harry Gump / Kalter Stern

Antischall  – Glückskeks CD

Rauchend steht ein Auto neben mir auf die auf der A8; diese Fahrt ist hier wohl zu Ende.
Und jetzt kommt das Review von Antischall, ein weiterer, abgefahrener Release von 30  Kilo Fieber Records. Hach, CDs, mein Lieblingstonträger….
Sechs Songs sind drauf, eine EP. Vor Kurzem hatte ich mir schon ihr Video „Angelika“ angeschaut, welches die Band, so wie auch die CD, selbst produziert hat. Fünf „Normalos“ machen einen Rock Genremix, so ein bisschen auf hart und ein bisschen auf schlau. Punkrock nennen es einige, ich denke, damit liegen wir hier nicht ganz richtig. Am Gesang eine stimmlich ordentlich Feuer habende Frau!
Erstes Stück ist der Song zum Video „Angelika“.

Anfangs finde ich die Stimme der Sängerin etwas befremdlich, ist mir ein wenig zu gepresst. Was mir aber dann aber sofort positiv auffällt, ist der Chor-Gesang in den Refrains. Das die Band eine Frauen- und eine Männerstimme an Bord hat ist ebenso abwechslungsreich, wie ihr Genremix.
Das zieht sich durch „die Ruhe vor dem Sturm“; toller Text!; über „Harte Kante“ bis zm Schluss „wir sollten die Sonne verklagen“; auch ein super Text!
Insgesamt ist mir das (fast) zu abwechslungsreich.
Der vierte Song „nachgemacht“ handelt von den Menschen, die alles nachquatschen und lieber mal denken sollten, was auch wieder ein super Ansatz ist, nur die Musik!
Ich werde nicht so richtig warm mit diesem Crossover.
Mir gefällt, dass die Band ein eigenes Songwriting haben und absolut ihren eigenen Weg gehen. Besser als jede Band, die es um der Musik willen machen und irgendwelchen Nonsens und beliebig austauschbare Floskeln loswerden! Antischall machen das also richtig richtig gut.
Lieber die auf einem Festival vor den üblichen Festivalgängern, als die „austauschbaren“.
Anspieltipp ist definitiv der letzte Track der CD „wir sollten die Sonne verklagen“

Harry Gump – Von Mauern, Türmen, Brücken und Wegen
Kleine Geschichte vorneweg: wir haben uns bei einem sehr liebenswerten Halloween-Konzert in Oettingen kennengelernt. An dem Abend spielten noch die famosen Krawehl und die Notgemeinschaft Peter Pan zum Tanze auf. Veranstalter damals war eine Konzertgruppe in der auch Bernd von 30 Kilo Fieber Records dabei war. Ende 2019 hatte ich seine CD mit Textbuch „four chords forever“ hier vorliegen und bin echt hart in Love mit seinem Style.

Es gab eine  Vorab-Single des Songs „Team Gates“
Ich weiß nicht wie schnell man musikalisch reagieren kann auf auf Tages- aktuelles, wenn man nur seine Stimme und seine Gitarre braucht, ist man einer Band da klar im Vorteil!
Wir haben dann ein wenig korrespondiert, zwei Songs landeten auch direkt auf dem Tapesampler #7 der gerad aktuellen Printausgabe der ProvinzPostille. Der erste Song „Stimmen aus den Trümmern“ versprüht diese melancholische Lebensfreude, die ich bei den meisten Singer-Songwritern so sehr mag.

Und in all dieser Lebensfreude steckt eine ganze Menge ernst gemeinter Kritik. Die ganze CD ist also per se liebenswert!
Ich muss gar nicht weiter über die ganzen anderen Songs sprechen. Das ist gut!

Ein paar Songs gibts mit Percussions,  verschiedenen Instrumentierungen,  man lernt vor allem einen ganzen Haufen Leute kennen, die mit ihm musizieren, die Harry so über die Jahre „eingesammelt“ oder schon ewig kennt….
Da steckt viel Freundschaft drin, gebt Harry unbedingt mal euer Gehör!

Kalter Stern – s/t CD

Zum Abschluss dieser CD-Runde komme zu Kalter Stern aus Mönchengladbach. CD ist selbst betitelt, Weiß und Grau gehalten, Bella Park Records dem Label für „unlabelbares“. Na da bin ich ja mal gespannt.

Mäandernd, New-Wave, Sound-Experiment, selbst gemachte Beats, lyrische Träumereien. „Die letzten Hüftbewegungen des Sommers“ sind der Spruch im Innenteil der Hülle.

fass was an
trink was aus

Minimalistische Soundformationen, umkreist von Worten. „Ein Riese“ ist Erinnerung an Einstürzende Neubauten. „Kennen sie eine Merle“ so hiess es damals im Text, jemand den Tracktitel dazu?
Regelmäßiges überfordert sein, zwischenzeitliches Zwangsjackengefühl aus dieser Musik nicht mehr heraus zu kommen. Aus diesem Song nicht mehr ausbrechen zu können; und dann bricht der Song ab.
Plötzlich.
Wie ein Dada-Gedicht.
Insgesamt sind es 10 Stücke, die auf der CD-R eingebrannt wurden. Als ich ein zweites Mal durch bin stellt sich ein recht kurzweiliges und  abwechslungsreiches musikalisches Schaffen dar. Die Songs oft „ineinander gesteckt“, manche sehr ruhig und dichterisch, und manche etwas unruhiger, mit nem Beat, verzerrten Gitarren; man kommt fast in die Versuchung zu sagen „auch tanzbar“, leicht unterkühlt.
Kalter Stern trifft mit dem Namen tatsächlich um den Nagel auf den Kopf. Mir fehlt es ein wenig an der Emotion, der Energie, der ich folgen kann. Eventuell bin ich halt von eher dem heissen, schwitzigen Punkstern, der seine Pogorunden dreht.
Insgesamt trifft das Wort „außergewöhnlich“ es wohl am besten.
Am Werke waren hier Herr N. und Herr F.

 

review: Müllheim – Kron MC

Wohl die absolut witzig-kreativste Zusendung, die ich bisher bekommen habe.  Das wirklich mit Abstand geilste Bewerbungsschreiben aller Zeiten  (Fotografien im Anhang).
Wenn ich angeschrieben werde, merke ich schlicht an, dass es toll wäre, wenn die Band eine kleine Vita dazu packt. Ein paar Infos, wer wie wo und so.

wir sind eine punkband und schreiben unsere briefe superlustig auf bierettiketten

Gut so. Ich hätte euch nicht einfacher als Punkband identifizieren können. Zur Musik kommen wir ja erst noch, haha.
Nun, die Band besteht aus drei Patienten (0 Git / Ges., 1 Bass / Synth, 2 Drums) und haben einige Referenzen wie Razzia, Abwärts oder Mittagspause angegeben. Sie stehen auf die 1980er und eher „so schlecht aufgenommene Sachen“.
Man spielte schon in andern Bands, die aber keiner kennt, da dies das erste Infoschreiben sei. Info also: aufgenommen 2020 in Berlin, 2021 kam eine Single „Endzeitstimmungshits I + II“ zur Lage der Nation digital heraus.
Nachdem ich diese ausführliche Beschreibung gelesen habe, lege ich also die Kassette ein. (Kommt mit Downloadcode und kleinem Booklet).
Erster Gedanke: Phantom Records mit Lassie und Pisse auf dem Synthpunklabel. 
Das Artwork der Band Müllheim ist eher bescheiden, dafür fetzt die Musik umso mehr. Richtig gut abgehangener 70er Punk mit Synthie, sinnlosen Texten und … irgendwas mit „s“ muss mir jetzt noch einfallen…. „Existentialismus“
„Kann man davon leben“, fragt die Band. Von derart Musik? Vom Nichtstun? Vom Abhängen? Keine Ahnung man kann „damit“ leben aber „davon“? Ist eine kapitalistische Frage, hiermit klar mit Nein zu beantworten. Die Texte sind sehr repetitiv, nichts desto trotz haben sie diesen punkigen Zynismus, den ich wahnsinnig liebe.

tagsüber arschloch gewesen
aber abends voll nett

Sagt eigentlich alles über unsere Gesellschaft.
An dieser Stelle kommt mir die exitentialistische Frage „wie viel dieser Art Punk muss man hören, um das so perfekt wieder aufspielen zu können?“
Oder platzt das aus einem heraus? Ist das in einem drin und ist so eine Art musikalische Sprache, die durch das Erwachsenwerden erst in drei Akkorde gepackt werden kann. In jedem von uns schlummert also der 4/4tel Beat; in manchen halt 7/8tel.
Anspieltipp ist „Junge“, packt das mal in euern Kassettenrekorder! Super das.

review: Grey Walls – Asche LP

Durch eine kleine Gruppe bei Facebook, die ich unlängst eröffnete,  meldete sich Jan bei mir, der früher Schlagzeug gespielt hat bei Burn/It/Out. Eine Hardcore-Punkband aus Landau, in der auch Oli mitspielte, der nun die Gitarre zupft bei den famosen Atmen, weiter.
Jan trommelt also nun schon eine Weile bei Grey Walls, die Band hat wohl schon eine 7inch herausgebracht.
Ich hab mir nicht groß sagen lassen, was für Musik Grey Walls machen, wir haben einfach Platten getauscht, nun gibts den überfälligen Review dazu! Vollkommen überrascht fliegen mir ab der ersten Sekunde also die Trommelfelle aus den Ohren, der Alarm den die Gräulichkeit ist immens! Erscheckt zucke ich den Tonarm zurück, zögere, lege nochmal auf und etwas weniger erschreckt höre ich die erste Seite durch.
Das Inlay ist grau, die Platte ist grau meliertes Vinyl, das Cover ist grau mit schwarz, die Musik gräulich Grau.

Mich erinnert die Musik total an die erste LP von Rorschach „remain sedate“. Oder Born Against. Nur echt in düster. Obwohl ich mir immer wünschte, dass morgens, statt eines Weckers, der Plattenspieler den Tonarm auf die ersten Töne der Scheibe legt und mich ein Gewitter von sägenden Gitarren und kreifendem Gesang in den trostlosen Job jagd.
Hat beides, glücklicherweise, nicht geklappt!
Ähnlich gehts mir jetzt mit Grey Walls, die zwischen Doom, Blackmetal und Screamo sehr abwechslungsreich spielen. Im 4. Song „Dunkelheit“ eine ganz überraschend wunderbare wie außergewöhnliche Mischung aus einem keifenden WahWah und dem keifenden Gesang eine Symbiose ohne gleichen eingeht; um in „Töterkult“ ein Riff aus der grauen Untiefe zu ziehen, was den Titel nicht besser untermalen könnte. Im Grunde machen die Herren in ihrer Düsternis also alles richtig. Gegen Ende wird das Riff komplett zerlegt um dann in „Zersetzung“noch viel tiefer hinab in den Keller zu steigen und eine dunkle Disharmonie aus Growls und Keifen alle grauen Wolken draussen am Himmel erstarren zu lassen.
Und je länger den Song anhöre, geht er mir wirklich überhaupt nicht in die Ohren, bewundere ich doch den Mut dieses graue Rauschen, diese Attacke auf Platte zu Bannen.
Der Sound der Band ist echt gut für eine Eigenproduktion, ungeschliffen, außergewöhnlich. Und wenn man glaubt, dass man nach Song 4 oder 5 alle gehört hat, das Songwriting kennt und weiß, was im Verlauf weiter passieren wird, täuscht sich. Insgesamt elf Lieder brechen über einen herein wie ein unfassbares Unwetter. Wenn es mal in den Mauern etwas ruhiger wird, dann schmettern und brettern sie wieder auf und davon.
Ihre Scheibe gibt es im erwähnten Grau, in Rot und auch als Tape. Am besten über ihre Seite, dort sind Band und / oder Labels erreichbar.
Erschienen bereits Ende 2020.

review: NEAT MENTALS – virus / it ain’t easy 7inch

Neat Mentals haben endlich ein paar neue Songs raus. Ich hab die Band auf einem schönen Konzert in Rastatt im Artcanrobert kennengelernt und wir halten stetig Kontakt.
Zwei neue Songs, „Virus“ und „It ain’t easy“.
Ich leg die Single auf und denke: „Das habe ich neulich doch erst gehört! Von meinen Kumpels aus Köthen, den the Lamplighters.“ Diesen drei Dur-Akkorde Powerpunk, melodiös, nicht zu schwer, nur eine leichte Melancholie. Und dann passiert ab der Hälfte von „it ain’t easy“ ein echt cooler Wechsel in so einen melancholischen Touch, der mir unglaublich gut ins Ohr geht. Die Band bleibt minimalistisch melodiös.
Ich nehm die Nadel, legt sie nochmal auf Anfang in die Rille und lass das Teil nochmal laufen. Schon mal ein Top Song, den ich gerne fünf Mal höre, bevor ich dann doch mal umdrehe, um „Virus“ auch eine Chance zu geben.
Nein, der Song handelt nicht von Grippeviren. Er handelt von dem Scheiß, der in den Köpfen mancher Menschen unterwegs ist und der sich auch, man kann es ganz gut in den Medien verfolgen, zu stark in eben jenen Köpfen festsetzt. Dies bestätigte mir Trommler Flo auch in einem Interview / Podcast, den ich unlängst bei Vinyl-Keks hörte. Es geht um die Ressourcen die wir diesem Planeten abtrotzen und nichts davon zurückgeben. Ungewöhnlich nachdenklich, möchte ich behaupten!
Die Neat Mentals setzen auf ihr bewährtes Songwriting, welches ich schon sehr von ihrem Album „humanoid“ mag. Er ist kurz und knackig, geht ins Tanzbein und in dieser Kürze hätten sie auch gleich noch einen hinterherknallen können!
Schöne Gimmicks dabei, Bierdeckel für den Abend zu Zweien zuhause, haha, schickes Artwork von Tante Jo. Flight13 vertreibt die auf recyceltem Vinyl erschienene 7inch.
Hätte ich eine Jukebox, ich würde die Single sofort da reinschmeissen und nie wieder rausnehmen.

 

fanzine: OKAPI RIOT #7 – 01/2021

Bevor mir mal wieder die kommende Ausgabe schon im Nacken sitzt, haha, hier mal eben eine kurz & knackig Rezi des tollen OKAPI RIOT.
„Queer, Feminismus, Zeitgeist, Subkultur“, so ist es untertitelt. Wieder versammelt Macherin Bianca Autorinnen und Autoren in ihrem Heft unter dem Motto „das Okapi Riot Zine ist, was Du draus machst“.
Und wieder gelingt ihr ein zwar in schwarz weiß gehaltenes aber inhaltlich sehr buntes Heft. Apu trägt einige Illustrationen bei, wie auch schon in den letzten Ausgaben. Und gleich „Bruno ist dagegen“ gefällt mir so gut, da steckt so viel Leben und Spielfreude drin, dass ich den Sampler bei Bandcamp bestellt habe. Von Lena gibt es den „Hunde und Sexismus im Alltag“, einen Erfahrungsbericht. Dazu ein Extrablatt mit einem „Hoch auf bedingungslose Solidarität“. In dieser Ausgabe steckt viel Hund!
Es ist auch wieder ein anonymer Bericht über Gewalt in Beziehungen, das sich-als-Opfer-fühlen.
Das Okapi Riot macht an genau diesen Stellen alles richtig. Mit Einfühlungsvermögen unverbogen alles anzusprechen.
Reviews gibt es kunterbunt gemischt, ein wenig Musik, ein paar podcasts, ein paar Fanzines. Weitere Interviews und Berichte mit Black Square, mit einem der Macher des German Compliment Fanzine, Cornelius, der auch bei Black Lining spielt und ein Label namens Keep it a Secret betreibt. Gedichte, Illustrationen, Linoldrucke, das Heft hat seine Bandbreite nochmals erweitert. Toll!
Facebook.

 

buch: JAN OFF – nichts wird sich niemals ändern

„nichts wird sich niemals ändern“, was eine äußerst pessimistische Prognose für die menschliche Dummheit ist. Obwohl, wir schauen täglich in den Sozialen Mediafreund, zweifeln aber Menschen wie dich und mich an, die einem Job nachgegehen, der sich Journalist nennt, und glauben jenen, die sich dafür halten. Also eine realitsische Einschätzung?
Geht es denn in diesem Buch um die aktuellen, zwischenmenschlichen Nicht-Entwicklngen? Bleiben Holzköpfe wirklich immer Holzköpfe?

Vier zornige junge Menschen wollen, weil zu viel Scheiß auf diesem Planeten passiert, ihren Zorn über Umweltverschmutzung und den Rechtsruck in vielen Staaten loswerden. Dafür wird der Plan entwickelt auf der Hamburger Binnalster die Weihnachtstanne in Brand zu stecken.
Wer sind also diese vier Twens, die sich an ihrer Idee abarbeiten. Da ist der namenlose Protagonist, Bett-befreundet mit Nadja, die eigentlich mit der Blassen zusammen lebt und seinem Kumpel Oke, der was von Nadja will.
Alle sind nicht „szenerelevant“ und somit völlig unter dem Radar von Polizei oder Staatsschutz. So lässt es sich ja leicht planen, wären da nicht die persönlichen Verwicklungen, die ja zwangsläufig zu einer Veränderung führen müssen. Also wird sich doch noch irgendwo jemals etwas ändern? Was könnte es uns wohl nutzen eine Weihnachtstanne in Brand zu stecken um globale Krisen zu beenden?

Ich finde das Buch sehr gut geschrieben! Jan Off nutzt meiner Meinung nach einem aktuelleren Stil, flüssiger,  hat nicht ganz so viele Fäkalausdrücke oder Schimpfwörter am Start wie sonst. Der Vorgängerroman „die Helligkeit der letzten Tage“ ist wesentlich dystopischer und dreckiger. Hier nun ist alles aus einem Guß, die Worte fließen, man kann den Roman im Grunde in einem Rutsch lesen.
Die Verstrickungen der Gruppe werden nicht zu ausufernd erzählt, alle Geschichten sind schön an- und nur wenige auserzählt, was sehr viel Spielraum lässt, sich seine eigenen Gedanken zu machen zur Haltung der Damen und Herren aus dem linken Hamburger Milieu.

Ein lesenswertes, kurzweiliges Buch, welches viel Raum lässt und einige Dinge und Verhältnisse aber auch sehr klar benennt und bewertet.
Ich will gar nicht mehr verraten und wünsche ebenso viel Spaß beim Lesen, wie ich ihn hatte.
Gibts im Buchhandel, klar.
Jan ist bei Instagram aktiv, auch bei FB. Seine Seite Jan Off.

review: JUST LOOK AROUND – freedom remains MC

Just look around ist das vierte Tape von Modern Illusion Records, welches den Weg in meinen Player findet. „Freedom Remains“ heisst das gute Stück und ich bin komplett geplättet, weil ich mich mal wieder habe überraschen lassen. Keine Nachfrage, was die Band eigentlich musikalisch so treibt und auch keine Forderung nach einem Promo-Sheet; was mir bei vielen Bands oft fehlt!
Habe nirgendwo reingehört oder eine Rezi vorweg gelesen. Ehrlich gesagt bin ich auch Anfangs gar nicht so begeistert wie beispielsweise bei Bent Blue oder . Bisher ist das kleine Label aus Süddeutschland nicht Fehl gegangen…

Auf dem Cover von Just look around ist ein Skater in der Halfpipe, ein Fingerboard ist dabei, Sonne, ich denke an gute Laune und melodisches Tralala. Mit diesem ganzen Skaterding kann ich im Grunde nichts anfangen. Hab mich schon vor 30 Jahren gefragt, wieso man sowas mit locker unterhalb des Arsches sitzenden Hosen machen will.
Der erste Song, nach kurzer Radiosendersuche-Sample das mit „…we lost the way“ endet, schiebt sich mit derbstem Hardcoregeballer mit Metalkante durch die Boxen. Madball vielleicht? Volle Granate auf die Zwölf. Kleister zwischen den Songs sind Samples zwischen den Songs „ja! eine schöne neue Welt! Wir stehen auf!“ und ungebremst knallt einem der nächste Track entgegen. Die Lyrics handeln von dem selbstbewussten Blick auf die kaputte Gesellschaft „blow it up“, Social-Media-Wut „disruption“, ….
Bamm bamm bamm. Das ist für mich schon echt Hard Stuff, zu dem ich nicht so leicht Zugang finde und normalerweise auch nicht den Weg in den Kassettenrekorder.
Insgesamt super gespielt, harte Typen mit knallharten Ansagen, völlig irreführendes Cover. Geiles Gimmick. Orangenes Tape, Downloadcode, Fold-Out-Cover. Sieben Songs, keiner wirklich länger als zwei Minuten.

 

review: KNIFE EYES – gewirr MC

Kleine Vorgeschichte zum Tape / Band ist, daß ich sie vor einem Jahr, am 11.03.2020, im Juha West in Stuttgart als Vorband von rauchen gesehen habe. Damals war der Sound zwar für die Location wie immer ziemlich gut, alles klar hörbar, gut gemischt, doch der Bass zerrte ungewöhnlich laut für die Musik, die Knife Eyes machen.
Ein wenig hats mich abgeschreckt und ich ging echt ne ganze Zeit schwanger mit dem Gedanken, mir überhaupt ein Tape dieser Stuttgarter Band, die wohl aus diversen bekannteren Bands besteht. Erschienen schon im Sommer 2019.
Lange her, soll ich wirklich einen Review schreiben? Ja!

Ganz hervorragend passen die Songs in die, momentan noch, düstere Zeit. Kalt ist es, dunkel, die Songs heißen „Euphorie“ „über mich“ „Nachtmahr“ und „kalt“.
Elf Minuten Spielzeit verpackt in einen schwarzen Pappschuber, den Release gab es überigens auch in Kleinstauflage als Floppy-Disk. Musikalisch erwartet den Hörer eine wilde Mischung, Genreübergreifend, Punk, Screamo, laut / leise, Post-Rock, wechselnder Gesang.
Knife Eyes Texte existenzialistisch, klingt hochtrabend, meint aber trotzdem, dass genug Wut in der Musik und eben auch in den Texten verpackt ist.
Mit „die Lichter dieser Stadt gehen niemals aus, auf in den Kampf“ ist wohl schon Stuttgart gemeint, zwinker. „du bist nicht allein, keine Einsamkeit. Doch die Zweisamkeit, die löscht das Licht.“ Nie habe ich einen so verliebten Text so verzweifelnd geschrieen gehört!
Somit bringt der letzte Song alles auf den Punkt was die Band kann.  Anspieltipp „kalt“.
Einziger Wehrmutstropfen ist, dass das Tape sehr leise aufgenommen ist.
Aber ich hoffe in 2021 sowieso auf einen Vinylrelease, sagt bescheid!
Erstmal viel Spaß beim reinhören und Dauerschleife laufen lassen.

review: WIRED SHUT – s/t MC

Ein kurzes knackiges Tape erreicht mich. Wired Shut, Hardcore aus Portland in Ohio. Es handelt sich um den ersten Europarelease vom Label Modern Illusion Records, die das Tape in 30er Auflage rausgebracht haben Als Letztes der drei tollen Releases (Bent Blue und habe ich schon besprochen) höre ich also dieses drei-Song Tape.
Klassische Besetzung Gitarre, Bass, Drums und Vocals knallen in aller kürzester Zeit drei Songs raus, die mich sofort an Judge erinnern. Was wohl nicht verwunderlich ist, denn die Band besteht aus aktiven und ehemaligen Mitgliedern Mitgliedern hochkarätiger Bands wie Slapshot, Hoods und Sinking Ships. Metalkante und superschnell. Die Band macht sich den Spaß, zwei Songs auf die erste Seite zu packen und einen dritten auf Seite zwei. Deswegen ist dieser einzelne Track aber nicht länger als die beiden Vorgänger.
Im Gegenteil, der Song überrascht in seiner Kürze. Klare Ansage „Stay out of my way“. Darum gehts im Grunde in allen Songs: Menschen, die ich nicht in meiner Nähe haben will, mögen auch gerne wegbleiben. Um das mal diplomatisch auszudrücken.
Wer Bock hat auf puren, ungeschliffenen, abwechslungsreichen, rohen, und ziemlich gut gespielten Hardcore, der muss ich das hier unbedingt einziehen.
Das Tape ist klasse aufgemacht, Foldout-Cover mit Maschendraht als Umrandung. Viel zu kurz. Gimme some More!