LP: ea80 – stecker

Die TAZ schrieb schon über die Platte. Oder sagen wir, eine Redakteurin der TAZ.
EA80 bringen nach mehreren Jahren wieder eine LP raus.
Dabei kann man die 40 Songs auf den 7 7inches ja wohl schon als Platte bezeichnen.
Kompliziertes Format halt.
EA80 – sperriges Format, langlebig, dreckig schön, rauhe Perlen produzierend, zärtlich harte Worte schreiend, singend, tiefgründig klar.

EA80 nutzen die Gelegenheiten nach dem Motto „wenn nicht jetzt, wann dann“ und spielen reichlich Konzerte. Die Hinterherreisenden, welche der Band ja mit ihren Status beschert, den sie haben, kann man sich als Normalo ja inzwischen sparen. Ich bin gespannt, denn im April (06.04., Sonntag) sind sie in Karlsruhe, wer da so seinen Weg aus Stuttgart (die nie auf ein Konzert nach Karlsruhe kommen, außer es ist MEGAbekannt) oder Freiburg macht.
Dazu auf jedem Konzert Ähnlichkeiten in der Setlist, aber eben nur Ähnlichkeiten.
Btw: schade, dass sie „trashfest“ immer so zerlegen. So ein tolles Stück!
Die Musik auf der Platte, ich gehe mal unchronologisch vor, beschreibe ich mal mit dem, was EA80 ausmacht: „radar“ auf der zweiten Seite ist was viele Bands inspiriert hat, diesen düsteren Sound zu machen. „die goldene stadt“ überrascht total, ebenso wie das sehr kurze „abgrund“.

Sie haben sich absolut an jeder Stelle den Punkrock erhalten, nie abgeben, diskutiert bitte nicht drüber, wir sind einer Meinung!
„vergoldet“ gibt dem Anfang dieser Platte, dem Anfang dieser neuen Zeit mit EA80, musikalische Untermalung und wörtliche Bebilderung.
„….keiner hält uns auf“.
Das ist toll.
Mal abgesehen davon haben sie im OX #39 im Jahre 2000 eines der seltenen Interviews mit Joachim Hiller veröffentlicht. Und darin etwas über ihre Zukunft verraten. Das ist 25 Jahre her.

Wie lange es EA 80 noch geben wird? Hoffentlich ewig, wahrscheinlich noch sehr lange: Maul würde eine Auflösung als Verleugnung der Vergangenheit ansehen, die anderen stimmen ihm zu, und da EA 80 keine Menschen sind, die zu unbedachten Äusserungen neigen, kann man folglich sowohl als alternder Punkrocker wie als Neuling damit rechnen, dass EA 80 noch lange die Auflösung des Rätsels, was ihr Name denn nun bedeutet, mit sich herumtragen werden.

Es steckt viel Ehrlichkeit, Direktheit und Poesie in all den Worten – wie immer.
„scherbe“ ist auch ein typischer EA80 Song, der irgendwelche Gemüter begeistert wird, meines nicht. Endlos die selbe Rille. Ähm, dasselbe Riff.

„kapitulation“ machen einen Abschluß, der so ist, wie er sein muß: sperrig, kleine Momente, die erfreuen. Abwandlungen von dem, was sie eigentlich schon immer machen. Weil sie den Sound lange nicht verändert haben.

Hier eines der 8482239 Youtube-Videos, die mit Handykamera an den unmöglichsten Positionen, unter Berücksichtung der maximal schlechten für das Soundrecording, zum titelgebenden Track „stecker“.

Vinyl gibt es beim Majorlabel. Und im Gegensatz zu Streaming bei sehr vielen andern Anbietern von Schallplatten. Cool. Kauft euch halt zwei.

konzert: kommando schimmelkotze, chefdenker, detlef OETINGER Villa 24.01.2024

Gastautor Joey Controletti mit ein paar Worten zu diesem Konzert, bitteschön.

Ach, wie schön kann es eigentlich sein?! Als ich im Laufe des Jahres 2024 spitz kriegte, dass Chefdenker und Detlef in der Oetinger Villa spielen werden, schmiedeten .n und ich sogleich den Plan, dort hinzufahren.

.n erfreute sich ausgezeichneter Laune, als er mich in Heidelberg einsammelte und wir zu seinem Soundtrack von Pöbel & Gesocks nach Darmstadt bretterten, bzw. gepflegt fuhren. Pöbel & Gesocks ist nicht 100 Pro mein Ding, aber .ns gute Laune war ansteckend und so kamen wir gut am Moxy Hotel an. Das war das erste Mal, dass ich mir für eine Show ein bezahltes Zimmer nahm, sonst hieß es sich immer die Nacht über rumdrücken, bis dann wieder ein Zug fährt. Es war aber bezahlbar für mich und die Oetinger Villa gut mit den Öffis erreichbar.

Weil alle der guten Dinge drei sind, schaffte ich es diesmal endlich in die Pizzaria Da Guiseppe. Die letzten zwei Male in der Oetinger Villa waren die Gastronomen immer in Urlaub gewesen. Die Pizza war dann „nur ok“ aber es gab Bier aus der Brauerei Faust, lecker lecker. .n stellte sich eine „Pizza .n“ zusammen, mit Thunfisch, Salami, Sardellen und schwarzen  Oliven. Alright. Damit .n nicht wie so häufig beim Pogo Überfressungs Beschwerden bekommt, wickelte er sich die letzten zwei Stücke in Alufolie ein; nicht ohne vorzuschlagen, die „Pizza .n“ könne doch in Zukunft mit auf die Speisekarte aufgenommen zu werden. Klar, ist jetzt nicht super konventionell, für mich als Alltags-Veganer sowieso nicht. Aber in Sachen Pizza habe ich schon wildere Geschichten gehört, z.B. „Pizza Elvis“ bei der Mais und Mayonnaise (vor dem Backprozess) eine zentrale Rolle spielen.

Die Stimmung in der Oetinger Villa ist mal wieder sehr gut, die Leute sympathisch.

Es sollte auch bei den mild-winterlichen Außentemperaturen an dem Abend im Konzertsaal die ultra Sauna werden.  Ein paar alte Bekanntschaften wurden erneuert und neue gemacht. .n tischkickerte wie wild.

Opener machten Kommando Schimmelkotze aus Darmstadt. Stabile Deutschpunk Geschichte. Die Sängerin quietscht und zetert irgendwo zwischen Hans-A-Plast und Östro 430, der schnelle Gesang bringt eine peppige Hektik in das vier-Viertel Deutschpunk Gefüge der Band. Auch der Drummer übernimmt bemerkenswert kräftig dargebotene Vocalparts, sehr fein. Die Lyrics und Ansagen zwischen den Songs lassen keine Zweifel an der betont feministischen Ausrichtung der Band, insofern auch eine coole Ergänzung zum übrigen Line-Up.

Bei Detlef hatte ich viel Freude am mitsingen. Ich habe die Band seit deren Entstehen vor vielleicht acht Jahren seitdem viel „aus der Tube“ gehört. Den Tipp gab mir damals Sir Uwe Stahl persönlich, als er Ton für unseren ersten Gig mit hühnertot im P8 machte. Wir hatten es über meine Schwäche für Supernichts gehabt. Detlef zum ersten Mal live zu sehen war mir eine große Freude. Es war geil zu erleben, wie toll die Band die mehrstimmig komponierten Gesänge auch auf der Bühne zu Geltung bringt. Detlef Damm am Bass steht voll im Saft – solides Bassspiel auf dem Rickenbacher, voller Gesang und Ansagen, die auch bei einer Coverband auf einer Ü40 Party für Stimmung gesorgt hätten. Wenn man das Bild so zu Ende malen möchte, wäre Detlef Löber am Schlagzeug wohl die Seele der Band und Detlef Meurer das Bypass-gespickte Herz des Trios. Gut gekleidet sind sie auch – ladet diese kreative und vielseitige Kapelle auf eure Hochzeitsfeier ein, die Stimmung ist gut und die Setlist lang!

Chefdenker heizten dem Saal in jeglichem Sinne ein. Sie spielten die alten Hits und auch viele Neue. Das aktuelle Album der Band hatte ich mir mit etwas Verzögerung sehr intensiv eingefahren, nachdem ich nach anfänglichen Einstiegsschwierigkeiten dann doch großen Gefallen daran gefunden hatte. Die Bude war bei allen drei Bands gerammelt voll und Chefdenker als Headliner brannten erfolgreich ein stadionpunkrockiges Feuerwerk vor einem tanzlustigen Publikum ab. Der Drummer trommelt so virtuos wie gut gelaunt seine Parts im Bademantel. Der Kollege spielt die Licks mit gehobener Faust vom Bierkasten aus. Der Basser wirkt mit den Jahren immer verjüngter auf mich. Und auch Sänger Claus scheint mit einem Schluck aus dem Jungbrunnen zumindest gegurgelt zu haben – gesanglich absolut in Form und auch die Texte sitzen so gut wie die Cargo-Jogginghose. Es wurde noch ein Musikvideo aufgenommen. Sir Uwe Stahl verlässt auch den Platz hinter dem Mischpult um zwei Gitarrensoli schreddern.

Also insgesamt alles nur Filetstücke vom Punk-Rock, der Mob verlässt verzückt, zufrieden und wunderbar unterhalten den Saal.

.n und ich stromern noch etwas durch die Villa, .n trinkt noch mehr Bier und wir brechen auf, um zum Hotel zurück zu kommen. Die Bahn kommt recht pünktlich. Jochen entsinnt der zwei Pizzastücke in seiner Jackentasche und wir teilen uns den Snack, er die Mitte, ich den Rand.

Wie geil war das denn?! Es bleibt mir nur, danke zu sagen und wir sehen uns hoffentlich ganz bald zum nächsten Mal!

LP: v/a – 10 years horstklub (kreuzlingen) against all odds

Der Horstklub ist in Kreuzlingen, was direkt angrenzend an Konstanz in der Schweiz liegt. Am schönen Bodensee, wie man so sagt.
Angefangen hat der Horstklub in einem Keller, klein, eng und schwitzig.
Sie hatten sich zum 5 Jährigen schon eine Compilation gegönnt. Damals noch eine LP. Diesmal eine Doppel LP.
Wenn sie so weitermachen also irgendwann eine ganze Box voller LPs! Ich freu mich schon drauf.

Jedenfalls haben unfassbar viele internationale Bands den Horstklub angesteuert. Irgendwo ein Off-Day, dann dort untergekommen und eine wilde Party gefeiert mit 50/80 Zahlenden Gästen. Oder einfach „nur“ Support für kleinere, tourende Bands.
Auch ich war schon mal dagewesen. Alles DIY, alles ein Kollektiv von Menschen die Bock haben einer grauen Stadt einen bunten Sinn zu geben. Es ist wirklich toll dort!

Kraus Glucke Weltverschwörung aus Konstanz haben den Titeltrack zur Compilation beigetragen. Ebenso gibt es von den Pershing Boys einen „Horst-Track“, auch von Ravage Fix. Und ich glaub auch FVZZ POPVLI.

10 Years, Horst Klub: Immer noch da! So oft schon tot geglaubt aber immer wieder aufgebaut. 10 Years, Horst Klub: ich schau zurück, das war Liebe auf den ersten Drink!

Gute Zusammenstellung, macht wirklich Spaß und ein paar LPs gibt es auch noch zu haben!
Gibt es im Doppelpack also entweder in rot-transparent oder in schwarz. Mit 10-seitigem Booklet. …und ich hatte mir noch die formschöne Tote-Bag dazu bestellt. Ist nicht ganz billig, was an diesen Schweizer Franken liegt….

 

für den Eindruck hier ein Video der Band Lassie.

MC: dvmp – modifizierte schwäche

Hast du Bock auf Geschrei, Gekeife, Gebrüll, Gezeter und dazu Geballer. Eine Drummachine from Hell. Alle Beats werden in eine Umlaufbahn in Lichtgeschwindigkeit geschickt.
Dann bist du bei DVMP ziemlich genau richtig.
Raisermesserscharfe Lyrics mit Rasierklingenriffs.

Superabwechslungsreich, wenn man es denn schafft, sich innerhalb von 1Min49Sek (so lang ist der erste Song „das letzte“) an den sehr guten Sound mit dieser ungestümen Musik zu gewöhnen!
Zwischendurch immer mal elektronische Beats, man wird hin + hergeworfen zwischen Ernsthaftigkeit der Themenauswahl und der Ironie, die darin steckt. Das Unvermeidbare (die Zerstörung des Planeten Erde) und der zu „modifizierenden schwäche“, die man durch persönliche Mit- und Ansprache doch recht einfach regulieren könnte.
DVMP beschreiben das selbst so:

Die Dosis schillernder Abnormität wurde erhöht, die Emotionen arbiträrer denn je kanalisiert, die Grenzen erneut erreicht. Songs über alltägliche sexistische Erfahrungen von FLINTAs, die Ausbeutung menschlicher Gesundheit, den globalen Rechtsrutsch samt seiner zahlreichen horrenden Ereignisse, die Zerstörung unserer Biosphäre und damit das Ende des Planeten Erde. Ebenso gehören Liebe und Resilienz, Widerstand gegen Antisemitismus und das obligatorische Punk-Mantra „Arbeit ist scheisze“ zu den zentralen Motiven dieser 40-minütigen Odyssee durch die von Elektroschrott überwucherte, von Batteriesäure zersetzte Futureviolence-Tundra

Hier also HipHop Beats, dann wieder Maschinengewehr-like-Geballer, das Tempo ist schon echt krasser Shit!
So ne Kombi aus der Schreie aus der Kehle André’s und eben krass schnelle Riffs von Alfi.
Die Texte sollte ich noch besprechen, es sind nur tatsächlich so viele, da könnt ihr doch einfach mal selbst reinlesen bei BC!
Es geht um die Unerträglichkeit des Mackertum, ein Aufruf zur Gottlosigkeit, die Unerschöpflichkeit des Wesen Mensch seinen Planeten zu zerstören. Das alles in verständlichen Formulierungen mit Aussicht auf Besserung!

Coops sind mit: Kim [Bleak Monday], Lena [Captivated / Etterath], Fini & Anna [Black Square], Helen [Shok Güzel] & Nadine [Die Farce Die], smr.tni und Pascal, Iva, Pit [Volume Magazine] & Kaja, Sami [Tyles], Lena und Marc [Maura…but it’s not the name], Maja [Marasm]

Tape gibts bei Puzzle Records. Es ist soooo overwhelming. Ich bin fast erschöpft nach dem Genuß dieses Bretts.
Schon geil. Und die Lyrics wahrlich eine Geschichte für sich.Und im Tape auch alle abgedruckt.

 

LP: dead pioneers – dead pioneers

Zu einer Zeit im Sommer 24 hatte ich einen Link via Bandcamp zugeschickt bekommen mit der Empfehlung mir die Dead Pioneers mal anzuhören. Outstanding Stuff.
Und der mir diesen Release empfahl hatte recht: total abgefahren, total gut!
Vinyl nicht mehr zu bekommen und bisher auch nur über die Band und in Amerika.
Dann trudelte im Herbst der Repress für Europa via Hassle Records, ein Londoner Label, hier ein.
Zuerst übernahm es ein*e Kolleg*in in der Redaktion, stieg aber aus, weil das Themenfeld, welches die Band bespricht, doch ein sehr besonderes ist.

Ich hab gleich „hier“ geschrieen, aber im Grunde exakt dasselbe festgestellt. Wahnsinn.
Klar, ich könnte es auch lassen, warum sollte ich eine Platte reviewen, die schon im Herbst 23 erschienen ist? Die in beiden Versionen ausverkauft ist, egal ob Original oder Repress.
Die schon heiß diskutiert wurde und durch die Presse gegangen ist.
Deren Review vermutlich mehr eine Abhandlung, eine Bachelorarbeit werden könnte, weil das Thema so komplex ist, so viele soziale Aspekte berücksichtigt werden dürfen, müssen, sollten.
Weil Dead Pioneers eventuell an dir vorbeigegangen ist?

Okay, also los:
Sie beschrieben sich selbst als „indigenous fronted“. Eine kurze Eingabe in meine Suchmaschine zeigte mir bspw. einen Artikel der Frankfurter Rundschau. Hej, wenn eine Band mal nicht in kürzester Zeit angekommen, und hoffentlich auch erreicht hat, was sie sagen will!, dann wohl die Dead Pioneers. Ausgabe 175 vom OX-Fanzine ist ein Interview. Tour als Vorband von Pearl Jam.
Ich denke tatsächlich mal, dass genau dort der richtige Platz ist. Nicht wegen der schieren Größe der Crowd die die Band abfeiern, nein, weil sie wirklich Menschen erreichen für ihre Inhalte. Und zum Nachdenken anregen können und werden!
Kommen wir zu den Songs, endlich: sie starten mit „tired“.
Sofort nach Vorne, ein gutes Introriff, welches sich nicht auflöst durch einen besonders kraftvollen Song und weiteres Riffing, nein, durch die klaren Worte, die Sänger Gregg Deal spricht. Unaufgeregt, deutlich.

America is a pyramid scheme and you ain’t at the top!
(…)
Don’t be scared of learning the whole historical story, it’s not going to hurt you
(…)
This structure is a rigged game that breed racism homophobia, transphobia, classism and ableism.
It all makes me so so very tired.

Und so deutlich der Song angefangen hat, so plötzlich findet er ein Ende.
„we were punk first“ startet als klassischer Punksong, der in ein paar Zeilen nach vorne ballert, dann in Spoken Word übergeht. Ja, ein wenig gewöhnungsbedürftig ist es schon.
Doch wer auf der Suche nach etwas Besonderem ist, etwas, dass Worte findet und zum Ausdruck bringt, was 99,9% eben genau nicht sagen, dann bist du hier absolut richtig.
Schwarze haben wohl diesen Proto-Punk mit erfunden. Musikhistorisch ist das sicherlich diskutabel. Am Ende ist das, wie so oft, ja komplett egal, wer es nun erfunden, die, die die Kohle haben, die haben es groß gemacht.
Und ausverkauft.
Ich kann den Indigenous und Blacks nur entgegenrufen: danke dafür, habt ihr super gemacht, denn ohne euch wäre dann die Rockmusik vermutlich immer noch so langweilig, wie sie schon bei Song 135 von Elvis war.
Der Bandname, würde ich sagen, in Anlehnung an The Last Poets, eine afroamerikanische Gruppe von Dichter*innen und Künstler*innen, die in den 1960er Jahren gegründet wurde. Vermutlich sagt es euch aber mehr, wenn ich Henry Rollins als Spoken-Word-Vertreter erwähne – er ist halt ein Weißer.

All diese Feststellungen zusammengenommen führen zu all diesen Ausschlüssen, diesen -ism Begriffen.
Wieder zurück zur Musik:
Einige Stücke sind einfach nur unterlegt mit Gitarren-Sounds. Das ist nicht meganoisig und krass, sondern einfach eine Atmosphäre. Der Sänger gibt nie Vollgas.
„bad indian“ ist ein wahrlich zynischer und harter Track. Gregg erzählt in den Songs über seine Erlebnisse, den Alltagsrassismus, der ihm überall begegnet. „du siehst ja gar nicht aus, wie ein Indianer“.
Er formt in seinen Worten die Sozialkritik um in politische Statements. Ohne je eine hohle Phrase gedroschen zu haben. Er stellt fest, was wir alle wissen und nur in allerkleinsten Teilen versuchen für sie und mit ihnen zu verändern.
Die Selbstreflektiertheit zu besitzen, über sich selbst ironisch zu sprechen und dann einen Text rauszuhauen wie „this is not a political song“. Darin eine Geschichte zu erzählen, aufzuzählen was ersteinmal nur Worte sind, doch wenn man sie in einen Zusammenhang bringt, versteht man, dass es um Minderheiten geht, die von Anfang unterdrückt wurden von Weißen.
Ein fast 5 minütiges Stück, groovy, sehr gut zu folgen, ich habe nie das Gefühl, dass mir hier eine Meinung aufgedrückt wird, ein politischer Wunsch geäußert wird, was ich zu tun habe. Denn was ich zu tun habe, muß ich schon selbst rausfinden.

Zum Ende des Album ein Spiegelbild mit „doom indian“.
Der letzte Track „noone owns anything and death is real“ sowas in der Art wie Bad Brains oder Dead Kennedys. Es geht nur nie ums Gitarrenriff, dass das hängenbleibt. Es ist alles ausgerichtet auf die Vocals.
Die Drums sind etwas offener, guter, satter Sound.
Trotz des einen sehr langen Tracks ist die Platte nur 22 Minuten lang, beinhaltet viele Worte in 12 Songs. Es lohnt all das!

Fantastischer Release. Eine neue Single namens „my spirit animal ate your spirit animal“.
Dead Pioneers sind Gregg Deal – Vocals, Joshua Rivera – Guitar, Abe Brennan – Guitar, Lee Tesche – Bass, Shane Zweygardt – Drums.
Erschienen via Hassle Records.

 

PS: Ich fragte in der Redaktion rum, wer mir ein wenig zum Thema Indigene Hilfe geben könnte, denn von einem Fettnapf in den nächsten zu treten ist ganz sicher hier der falsche Ort.
Einer unserer Redakteure ist mit einer indigenen Person zusammen. Ich bekam folgende Nachricht:
„die Wahl Trumps ist eine große Bedrohung für die Rechte Indigener (er will mal wieder Land enteignen um dann Fracking zu betreiben und solche Geschichten…) und eventuell ist auch sowas ganz interessant, dass die Rate an Jugendsuizid bei keiner Minderheit so hoch ist wie in indigenen Communitys – dasselbe bei Alkohol und Drogen.
Oder das die sexualisierte Gewalt an indigenen Frauen laut Amnesty International „epidemische“ Ausmaße annimmt. Oder, dass die systematische Unterdrückung bis heute anhält, weil in einigen Bundesstaaten (bei Trump dann wohl noch deutlich mehr) z.b. indigene Schriftsteller*innen zensiert bzw. ihr Bücher schlicht verboten sind. Und das sind nur mal „die größten“ Themen. Du siehst, die Review könnte auch eine Bachelorarbeit werden.
— richtig, ihr habt nun 1000 Worte gelesen —- lasst uns was draus machen!

dieser review erscheint auch beim Vinyl-Keks. Mehr Reichweite und so!

fanzine: drachenmädchen #15

„zuletzt geändert am 11.07.2024“ mannometer.
Wie kann ich ein so cooles Zine (in dem ich selbst auch einen Beitrag habe) so lange liegen lassen für die Review.
Auf jeden Fall gibt es noch Exemplare bei mir oder auch, klar, bei MYRUIN im Shop.

Das Drachenmädchen Nummer 15 hat sich mehr zu einer Sammlung von Kolumnen, Gedichten, Berichten und ein paar Reviews verändert.
Früher war da mehr Interview. Meist sehr ausführliche. Aber vielleicht hab ich das auch nur so im Kopf, denn oft, bzw. regelmäßig, kommt das Drachenmädchen nicht raus.

Ich lach mich schlapp über die Geschichte Dirk Bernemann, eine Fußballgeschichte folgt und startet mit dem poetischen Satz:

beim Öffnen des leeren Textdokuments für diese Kolumne schoß mir Kurt Cobain in den Kopf.

Dann auch ein kleines Interview mit einem der Macher*innen vom Scene Police Label. Wobei ich bemerkenswert finde, dass der Name nicht erwähnt wird. Sehr gutes Interview!
Es geht um Releases und dazu gehärt auch die HOT WATER MUSIC / RYDELL 7inch Split, die ich witzigerweise keine zwei Wochen vorher nach Tschechien vertickt habe, weil sie bei mir Staub fing.
Es findet sich tatsächlich ein zweites Interview mit Markus Haas vom PER KORO Label. Auch sein Name wird nicht genannt. Ich habe noch nicht kapiert, warum?

Gedichte, immer wieder eingestreut, von Julie Desastres.

„meine Top 5 Records als ich 18 war.“
Eine witzige Idee, ich hoffe, die Beteiligten konnten sich wirklich noch erinnern. Ich würde, so auf Anhieb, vermutlich alle möglichen Erscheinungsjahre von Platten durcheinanderwirbeln.
Liest sich ganz wunderbar. Und öffnet so einige Kanäle in die Vergangenheit im Oberstübchen.

Auf 104 Seiten ist ordentlich was los. Und es ist zeitlos, also greift ruhig zu!

MC: marten mcfly – G L S M

Hier kommt Marten Mcfly, der ein Tape namens G L S M raus hat.
Mir wurde das von den lieben Tini und Tobi von Black Cat Tapes als „total lustig“ angepriesen – Schlagerhiphop.
Ich hab ja schon viel Blödsinn gehört, ich soll das UN-BE-DINGT besprechen.

Ich so: ui. Und dann lag das Kassettchen erstmal im Schränkchen. Ich liebe Schlager. Was ne tolle Idee, das zusammenzubringen.
Als meine Tochter dann im Auto saß dachte ich, das ist jetzt mal der super Zeitpunkt, den Test zu machen, ob das taugt.
Es geht los mit „apokalypso inferno“ feat. Lemur und Rischard Gabriel. Ein Feuerwerk der guten Laune. Unerträglich. Lustig.
Absurde Lyrics.
Total amüsiert haben wir uns, nachdem wir die Münder wieder zu hatten, dann extrem über „würstchen tropical“.
Der Song hat alles, was ich an der Hitparade im ZDF ordentlich gehasst habe. Bernhard Brink grüßt. Natürlcih nun mit zynischen Raplyrics.
„träumen“ – mit den schönen Worten „dein gesicht ist wie ein touchscreen, nur ein bisschen schwerfälliger“ oder so….. geil. Während ich lache, kann ich nicht schreiben.
Der Song hat eher was von den Flippers, etwas ruhiger, E-Drums am Start mit typischem Break.
Der letzte, vierte Song, viel mehr würde ich nicht durchhalten, „obst“ ist ein wenig strange und fällt ein wenig ab.
Drei Hits und ein Ding machen ein cooles Tape mit Partymusik.
Hübsch hässliches Cover in Star Wars Hülle, in so Gold wie der Kumpel von R2D2.

Marten hat auch ernsthaftere Tracks, zwinker – und nen eigenen Kanal mit Podcasts.
Black Cat Tapes.

MC: sayes – kapuze auf kopf nicken

Mal wieder Hiphop ins Tapedeck geflattert.
Yep.
Sayes mit dem Album „kapuze auf kopfnicken“. Dreizehn Tracks mit seinen Lyrics und die B-Seite mit den selben Songs als Instrumentals.
Das sind alles kurze, knackige und recht eingängige Tracks, die mir echt gut reinlaufen.

Diverse Freund*innen sind am Start – BRKN1, Plaeikke, Ben Dana und MC Ellebogen und lockern die Dinger dann gemeinsam auf.
Beispielsweise „menschen sind ihhh“ finde ich iiiirgendwie seltsam. Ist aber der einzige….
Es sind richtig coole Lines, gutes Tempo in Stimme, die Zungen werden aufs Äußerste ausgereizt, und auch in den Tracks. Das ist nix zum chillaxen. Beats sind zwischen fluffig und fordernd.
30 Minuten, die richtig gut laufen und eigentlich zu schnell vorbeigehen. Gut konsumierbare Länge!

Hab das Tape vom Label bekommen Black Cat Tapes.
Ältere Videos habe ich hier beim Hoehlenkollektiv gefunden. Sayes selbst hat auch einen Kanal!

 

LP: bent blue – so much seething

Bent Blue liegen endlich auf dem Plattenteller. Ein paar Worte dazu:
Warum zum Geier sind die in Europa noch nicht eingeschlagen, wie bei mir?
Jedenfalls bietet sie Coretex an, die letzten beiden Scheiben, halt zu Coretex-Preisen!

Musikalisch bietet gleich der erste Track „born on third“ eine gute Veränderung hin zu dem etwas melodischeren Stil von Turnstile. Wobei sich Bent Blue da wahrlich nicht verstecken müssen. Es passt halt auch zu ihrer Art des Hardcore.
Schönes midtempo- Kopfnicker-Mucke.

Großer Fan, der ich bin, hab den Shit aus Amiland direkt vom Label Indecision Records einfliegen lassen. Aber ich sollte damit aufhören, hier steht (wie bei einigen anderen Releases auch schon) „made in czech republik“. Heißt: die produzieren in Europa, fliegen das nach USA… und wieder zurück.
Ich wollte aber auch die limitierte Test-Press, das habe ich bisher von allen Alben.

Wieder zu den Tracks. Die 11 Songs sind Bombe! Relativ schnell geht es Richtung des ungeschliffenen Hardcores, den ich aus San Diego so mag! Bent Blue springen in ihrem Sound zwischen Indie und Hardcore, diesen Dischord-Touch. Sind in meiner Welt etwas eingängiger geworden, gefühlt nicht mehr ganz so fordernd. Die Drums pumpen richtig, bisschen alte Sick of it All schimmern durch.
Richtig coole Scheibe.

Und nachdem ich nun selbst bei der Verlinkung auf Insta geschaut habe:
Die Band ist in Europe unterwegs:

8.2.25 UK Bristol @ Exchange Basement
9.2.25 UK London @ New Cross Inn
10.2.25 NL Maastricht @ Muziekgieterij
11.2.25 DE Cologne @ Tsunami
12.2.25 DE Berlin @ Neue Zukunft
13.2.25 DE Regensburg @ Alte Mälzerei
15.2.25 FR Paris @ Ess’pace

 

MC: bürokratie 84 – s/t

Unaufgeforderte Zusendungen bringen oftmals ja ordentlich Spaß. Hier also eine Band namens Bürokratie ’84, Deutschpunk, erinnert mich recht schnell an K.G.B. aus Tübingen, die habe ich hart gefeiert, zumindest das erste Album.
Die Gitarren sind irgendwie hardcoriger und metallischer. Die Vocals, bzw der ganze Gesang ist dann aber doch irgendwie eher 21. Jahrhundert, klebt an seinen vierhebigen Jamben oder sowas und hat ne Menge Gangshouts, auch ein bisschen „vohohoho“

„zeitsignale“ startet mit „was wenn wir nicht konsumieren, was wenn wir es boykottieren“.
Die Songs wirken irgendwie alt. „Stasipunkrock“ „Spitzelalarm in der Zone“ – ich guck da mal ins Anschreiben. Irgendwie passt das nicht zusammen, macht mich stutzig.
Alles ist auf geschredderte Akten, seltsame Email-Adresse, gegründet 1982, Bürokratie ’84 stünden für den rohen, rebellischen Sound der Punkbewegeung. Ich komme mir vergackeiert vor. 1985 schon wieder aufgelöst nach einigen legendären Konzerten. „Kultphänomen in der Untergrundszene“ – ich hab noch niemals von ihnen gehört. Oder kennt ihr meine erste Band Hünersüppchen? Nein. Uns gab es von 1994 -99 ganz in echt. Wirklich! Aber Bürokratie ’84 ?
Ich mach jetzt mal ne Suchmaschinenanfrage und finde heraus, das es exakt eine (1) Person gibt, die dieses Tape bei Kleinanzeigen verkauft.
Vow. Ich schaue mir die Anzeige an und da steht das drin, was auch auf meinem Zettel hier steht.
Es seien verschollene Bänder, die wiederentdeckt wurden, und man sich nicht hätte lumpen lassen, sie von Don Fury (DEM NY-Hardcore-Soundguy aus den 90ern) mischen zu lassen. Das kann sich wirklich hören lassen!

Ich finde nichts weiter im Internet…
Zweite Seite startet mit „pirvatier am Tegernsee“ – der Song ist hardcoriger. Das war schon in Ordnung, dass bei Don Fury mischen zu lassen. Irgendwie klingts auch nach Cro Mags oder so.
Irgendwie lasse ich es ne Weile liegen.

Mache Im Dezember nochmal eine Recherche. Finde bei den Kollegen von Away from Life dann doch noch was und hatte wohl den richtigen Riecher:

Einen großen Anteil daran hat die Stimme von Sänger Patrick, der ebenfalls für die Hardcore-Punk Band Farewell Signs trällert. Dreckig und rotzig, mit leichtem bayerischen Akzent, das passt wie die Faust auf’s Auge. Der Bass bollert richtig schön in Deutschpunk-Manier und der Drummer prügelt gut auf die Schießbude ein.

Das Tape hat ein dreiseitiges Flap, das gut aufgemacht ist, wenn man es auf macht. Diese Bürokratie ’84 ist auf 84 Stück limitiert. Rosa Tape n einem weißen Case.